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9 Stunden Angst

9 Stunden Angst

Titel: 9 Stunden Angst
Autoren: Max Kinnings
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Uhr
    MI5-Zentrale, Thames House
    Howard hatte Ed Mallory angelogen. Er hatte noch gar nicht mit Serina Boise gesprochen, sondern zunächst herausfinden wollen, ob Mallory wusste, wo Hooper steckte. Nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, nahm er ihn sofort wieder ab. Er würde Boise jetzt gleich anrufen. Doch dann hielt er mit den Fingern über dem Tastenfeld inne.
    Was, wenn es Hooper tatsächlich schaffte, sämtliche Spuren zu beseitigen? Vielleicht würde es der Zugführer – falls er überhaupt von der Verwicklung des Geheimdienstes wusste – ja durch irgendeinen unglücklichen Umstand nicht lebend aus der Evakuierungszone schaffen. Dann waren sie auf der sicheren Seite. Er könnte Hooper die Schuld an Wakehams Tod in die Schuhe schieben, könnte seinen verwirrten Geisteszustand dafür verantwortlich machen. Tragisch, dass ein so junger Mann unter Druck einfach ausrastete, aber so etwas kam vor. So war das Leben. Wer wusste sonst noch Bescheid? Nur Ed. Und welchen Vorteil hätte er davon gehabt, sich selbst in die Suppe zu spucken? Was er getan hatte, war unkonventionell, sogar tollkühn. Wegen des positiven Ausgangs seiner Aktion würde man ihn als Held betrachten, und das wollte Mallory doch sicher nicht aufs Spiel setzen. Vielleicht hatte Hooper ja recht, und der Shitstorm konnte tatsächlich abgewendet werden. Es schadete jedenfalls nicht, wenn er mit dem Anruf bei Serina Boise noch ein wenig wartete. Falls sich Hooper meldete und ihm mitteilte, dass er sich um alles gekümmert habe, was brachte es dann, unnötig Staub aufzuwirbeln? Notfalls konnte er Hooper immer noch als verrückt hinstellen. Und was Ed betraf: Vielleicht würde auch er es nicht lebend aus der Evakuierungszone schaffen. Wirklich tragisch. Howard würde selbstverständlich nur Gutes über ihn sagen und dafür sorgen, dass ihm posthum irgendeine Ehrenmedaille verliehen wurde.
    Hooper hatte verwirrt geklungen, als er kurz vor dem Gespräch mit Ed mit ihm telefoniert hatte, aber das war zu erwarten gewesen. Vielleicht war ihm selbst aufgegangen, wie wahnsinnig sein Vorhaben war. Das hieß allerdings noch lange nicht, dass er nicht in der Lage war, es durchzuziehen. Als Chef des MI 5 musste Howard das große Ganze im Blick behalten, das Wohl der Behörde und der Regierung.
    Howard Berriman nahm die Finger vom Telefon und trommelte stattdessen auf dem Schreibtisch herum, während er angestrengt nachdachte.
    Ja. Abwarten war definitiv die beste Vorgehensweise.
    15.58 Uhr
    U-Bahnhof Leicester Square, Schalterhalle
    Ed hakte sich wieder bei Police Constable Holland unter, die ihn durch das Gedränge in der Schalterhalle zu dem Büro führte, in dem man Denning untergebracht hatte.
    »Wie heißen Sie mit Vornamen?«, fragte Ed.
    »Jessica. Jess.«
    »Also Jess: Es wird Ihnen bestimmt nicht gefallen, was Sie gleich sehen werden.«
    »Was werde ich denn sehen?«
    »Zwei tote Männer.«
    Der Klang ihrer Stimme veränderte sich, weil sie nun mit jemandem sprach, der vor ihr stand, offenbar mit dem Wachposten vor der Tür. »Das ist Detective Inspector Ed Mallory.«
    Ed zeigte seinen Dienstausweis vor und sagte: »Ich möchte zu Tommy Denning.«
    Der Beamte öffnete ihnen die Tür, und Ed und Police Constable Holland betraten den Raum. Die Luft roch nach Blut und Aftershave. Dass Mark Hooper noch vor kurzem in diesem Zimmer gewesen war, bestätigte sich, als Eds Begleiterin völlig fassungslos murmelte: »O mein Gott.«
    Ed ließ ihren Arm los, ertastete mit den Händen den Tisch und bewegte sich an ihm entlang, bis er auf Tommy Dennings Leiche stieß, die im Stuhl zusammengesunken war. Er fuhr ihm mit den Fingern übers Gesicht, fühlte die große Wunde in seiner Wange, die zerschmetterten Zähne, das zerklüftete Zahnfleisch. Dann berührte er die kurz geschorenen Haare auf Dennings Kopf, die mindestens noch ein paar Stunden weiterwachsen würden. Am Hinterkopf ertastete er die Austrittswunde, bevor er nach unten griff und Dennings rechte Hand zwischen seine Hände nahm. Sie war noch warm. Er hob sie an die Nase und roch daran. Er erkannte Blut, öliges Wasser aus dem Tunnel, Schießpulver und darunter auch den Geruch menschlicher Haut, den Geruch von Tommy Denning.
    Sekunden später hatte Police Constable Holland Alarm geschlagen, und der Raum war voller Polizisten. Ed hatte nicht vor, zu bleiben und zu erklären, was passiert war. Stattdessen sagte er zu Holland: »Sie müssen mich zu dem Zugführer und seiner Familie bringen.«
    16.04 Uhr
    U-Bahnhof
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