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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof
Autoren: Karl May
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manchen Gefallen getan, ohne daß ich ihn darum bat!“
    „Er will dich täuschen, Fritz! Gerade diese Freundlichkeit macht mich bedenklich. Er sucht etwas an dir. Er hat dich schon zwei- oder dreimal mit ins Wirtshaus genommen und die Zeche für dich bezahlt. Das macht mich bang. Du gehst sonst nie zum Trunk. Was will er dort mit dir? Wer den Pachthofer kennt, der weiß, daß er nie etwas verzeiht. Sei vorsichtig, mein Sohn; nimm dich in acht! Er ist ja auch nicht mehr der, der er früher war, sondern ein Heruntergekommener. Wie lange wird es noch dauern, so jagt ihn der Major vom Hof. Willst du vielleicht der Freund und Kumpan eines solchen Menschen werden? Da sei Gott vor!“
    In diesem Augenblick trat das Sonnenscheinchen unter die Tür und sagte:
    „Die Klöße sind fertig. Ihr sollt kommen, sagt die Mutter!“
    Sie folgten diesem Ruf. In der Wohnstube stand Frau Paule wartend am gedeckten Tisch. Ihr Mann hatte sie ‚hübsch‘ genannt. Er hatte recht; sie war es wirklich. Ihr starkes, schönes, blondes Haar war nur um einen Schein dunkler als das ihres Kindes, und so ein liebes Gesicht wie sie kann nur eine Frau haben, die sich in ihrem Haus glücklich fühlt. Als sich jedes an seinen Platz gestellt und die Hände gefaltet hatte, erhob das Sonnenscheinchen seine Stimme und betete, die Augen begehrlich auf die dampfenden Klöße gerichtet:
    „Komm, Herr Jesus, sei unser Gast, und segne, was du uns bescheret hast. Amen!“
    Dann tat es einen Freudensprung und fügte schnell hinzu:
    „Heut' ist aber der Herr Jesus gut, sehr gut!“
    Die Eltern lachten über diesen begeisterten Andachtsschluß, und hierauf erging es der kleinen Beterin wie einst dem braven Feldhauptmann Schweppermann: Sie bekam gleich zwei Klöße auf einmal. Infolgedessen war sie so beschäftigt, daß sie vollständig vergaß, zu erzählen, was sie mit den vornehmen Leuten am Tor des Pachthofs gesprochen hatte. Selbstverständlich hätte man die kindliche Einladung zum Kaffee auch nicht als bindend für das ‚Majörle‘ betrachtet und noch viel weniger für dessen Eltern. Aber Kaffee wurde trotzdem bereitet; das war man für Sonntags so gewöhnt. Deshalb wurde nach dem Essen der Tisch hinaus vor die Bank am Haus getragen, zwei Stühle dazu, und nun, indem die Mutter den braunen Trank aufgoß, der mehr nach Zichorie als nach wirklichen Bohnen duftete, kam dem Sonnenscheinchen plötzlich die Besinnung, daß es die Sparbüchse in der Tasche habe und an der Straße auf das ‚Majörle‘ warten wolle!
    Das Kind sagte kein Wort, weil es sich seiner Vergeßlichkeit schämte, und ging den kurzen Hang hinab, um aufzupassen, ob der Erwartete kommen werde. Da standen rechts und links die duftenden Veilchen, die Sonnenscheinchen liebte. Ob die vornehme Frau, die so freundlich war, wohl auch Veilchen gern hatte? Das Mädchen begann zu pflücken, und noch hatte es kein ganzes Dutzend zusammen, so sah es den offenen Wagen kommen und das ‚Majörle‘ und seine Eltern drin. Er hielt am Gasthof an, wo die drei ausstiegen. Das Kind sah, daß sie hinein wollten. Darum lief es schnell hin, drückte der Frau Major die Blumen in die Hand und sagte zu dem Knaben, indem es nach dem Tisch vor dem Häuschen deutete:
    „Der Kaffee ist gleich fertig, und die Sparbüchse habe ich auch. Nun müßt ihr aber gleich kommen!“
    Der Major hatte sehr ernst ausgesehen; jetzt lächelte er. Die Frau Majorin schaute sehr vergnügt darein; das ‚Majörle‘ aber fühlte sich als Herr der Situation. Es streckte dem Sonnenscheinchen seinen rechten Arm hin und sagte:
    „Häng ein!“
    Dieses verstand ihn nicht und fragte darum verwundert:
    „Wo hinein willst du mich hängen?“
    Da sah er sie so etwas von oben herunter an und erklärte ihr:
    „Wenn man eine Dame zum Kaffee führt, so legt sie ihre Hand so hier auf den Arm. Dann geht man mit ihr fort. Handschuhe brauchst du nicht, denn wir sind auf dem Dorf. Also komm!“
    Er klemmte ihre linke Hand in den Winkel seines rechten Ellbogens und ging mit ihr über die Straße hinüber, ohne sich um die Folgsamkeit seiner Eltern zu bekümmern. Diese blickten einander fragend an. Dann schaute der Major hinüber nach dem Häuschen. Dort hatte man den Vorgang wohl bemerkt. Felber befand sich in größter Verlegenheit über die Kühnheit seines Töchterchens. Er hatte sich von seiner Bank erhoben und strich den Schnurrbart genau in derselben Weise wie damals, wenn er, als zu der Frau Hauptmann kommandiertes Kindermädchen, sich irgend
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