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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof
Autoren: Karl May
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Kirche vorüber, bis links der Gasthof lag und rechts an der Lehne des Berges ein hellgestrichenes Häuschen stand, dessen Schornstein gastlich rauchte. Auf der Bank vor der Tür saßen ein junger Mann und eine ältere Frau, des Kindes Vater, der Felber Fritz, und seine Schwiegermutter, die Botenfrau, welche die Verbindung des Dorfes mit der zwei Wegstunden entfernten Stadt unterhielt. Eine Eisenbahn gab es damals noch nicht. Als beide das Kind kommen sahen, rief ihm die Großmutter entgegen:
    „Sonnenscheinchen, wir haben dich gesucht! Wo bist du denn gewesen?“
    „Beim Uhrenengel war ich nur! Ich wollte ihn fragen, ob wir bald essen werden“, lautete die Auskunft.
    „Was hat er denn gesagt?“
    „Er meinte, es sei noch gar nicht eilig. Der schwarze Strich ging noch nicht gerade herunter. Ich wollte darauf warten; da aber kam das ‚Majörle‘, welches denkt, daß wir kein Geld haben. Ich werde ihm aber meine Sparbüchse zeigen. Darf ich, Großmutter? Ich hole sie mir gleich.“
    Hierauf verschwand das Mädchen, ohne die Antwort abzuwarten, im Innern des Hauses.
    „Das ‚Majörle‘! So also wird der Junge genannt“, setzte die Botenfrau das unterbrochene Gespräch mit ihrem Schwiegersohn fort. „Hast du ihn vorhin, als sie vorbeifuhren, zum ersten Mal gesehen?“
    „Nein“, antwortete er. „Als Offiziersbursche seines Vaters wurde ich sehr oft zur Aushilfe des Kindermädchens kommandiert. Er war damals ungefähr ein Jahr alt und wurde das ‚Hauptmännle‘ geheißen. Inzwischen ist sein Vater avanciert, der Knabe natürlich mit.“
    „Ob der Major dich wohl noch kennt?“
    „Möglich, obgleich er mich seitdem nicht mehr gesehen hat.“
    „Auch nicht, als du auf seinem Pachthof dientest?“
    „Nein. Er war während dieser Zeit niemals hier oben. Ich habe mich des Hofs redlich angenommen, erstens aus Pflichtgefühl, und zweitens auch um des Majors willen, der mir ein guter Herr gewesen ist. Ich wollte verhüten, daß sein Besitztum so weit heruntergebracht werde, wie es nun jetzt geschehen ist. Da aber kam jene Ohrfeige, die ich jetzt wohl fast bereuen möchte.“
    „Bereuen?“ fragte sie verwundert. „Wie kannst du es bereuen, daß du meine Tochter, deine ehemalige Braut und jetzige Frau, gegen einen so zudringlichen Menschen in Schutz genommen hast? Das war ja deine Pflicht!“
    „Ich hätte aber doch besonnener sein können, wenigstens nicht gleich zuschlagen sollen. Deine Tochter, die Paule, war ein hübsches, braves Mädchen. Sie ist noch jetzt die hübscheste und beste Frau im ganzen Dorf. Der Pachthofer wollte sie haben. Sie wies ihn ab. Schon das mußte ihn kränken. Als er aber erfuhr, daß sie mich, seinen Knecht, lieber habe als ihn, da war das eine Beleidigung, die ihn ergrimmen mußte. Er hatte getrunken, als er mich mit ihr traf. Er war berauscht. Darum versuchte er es, auf mich einzuschlagen. Er hatte vergessen, daß ich viel stärker bin als er. Meine Ohrfeige warf ihn sofort nieder. Ich ließ ihn liegen, holte meine Sachen und ging vom Hof ab. Hätte ich mich damals beherrscht, so wäre ich bei ihm geblieben und müßte mir jetzt nicht vorwerfen, schuld zu sein, daß er und der Pachthof nun so weit heruntergekommen sind.“
    Da legte die Schwiegermutter die Hand auf seinen Arm, sah ihm liebevoll in das Gesicht und sagte:
    „Fritz, lieber Fritz, also das ist es, was dich quält? Vorwürfe machst du dir? Du Braver! Da muß ich helfen. Da muß ich dir sagen, was wir bisher verschwiegen haben. Du weißt, wir reden nicht gern über andere Leute. Sogar den Pachthofer haben wir schonen wollen, obgleich er es an Paule nicht verdiente. Du glaubst, es sei seine Absicht gewesen, sie zu heiraten? Da irrst du dich! Er, der sich für den Vornehmsten hält und sie, die Tochter der Botenfrau? Das wäre ihm niemals eingefallen! Er hat ihr das auch ganz regelrecht gerade ins Gesicht gesagt. Da erhielt er von ihr das, was du nicht weißt, nämlich eine Ohrfeige, schon vor deiner!“
    „Ist's wahr, Mutter?“ rief da Felber, indem er von der Bank aufsprang.
    „Ja, es ist wahr“, antwortete sie. „Und trotzdem ist er noch ferner um das Haus hier geschlichen und hat sie verfolgt auf Schritt und Tritt, bis es dann durch dich zur zweiten Maulschelle kam. Da hatte er endlich genug!“
    „Das wußte ich freilich nicht! Aber es sind Jahre darüber hingegangen, und er hat die beiden Hiebe vergessen und vergeben. Du weißt es ja, wie freundlich er seit längerer Zeit gegen mich ist. Er hat mir schon
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