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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof
Autoren: Karl May
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fragte:
    „Ein Unglück? Was ist denn geschehen?“
    „Der Pachthofer ist ganz außer sich vor Wut. Er sagt, Felber habe ihn beim Herrn Major angeschwärzt. Er will ihn erschlagen. Man hält die beiden fest; sie wollen aneinander!“
    „Herrgott! Der liebe Mensch, der Fritz! Er ist ja ganz unschuldig! Er hat den Herrn Major sogar gebeten, den Pachthofer zu behalten!“
    Mit diesen Worten eilte die Großmutter den Hang hinab und über die Straße hinüber. In diesem Augenblick kam das Sonnenscheinchen hinter dem Garten vor. Es sah die Botenfrau laufen und rief ihr nach:
    „Großmutter, geh' nicht fort! Ich kann es jetzt; es ist nun angewachsen. Ich will es dir sagen und dann auch noch dem Vater. Der hat es noch nicht gehört.“
    Als es sah, daß auf diese seine Worte nicht geachtet wurde, lief es hinterdrein, um sich Gehör zu verschaffen. Es sah die Großmutter in der Gasthoftür verschwinden. Dahin rannte es auch. Als es dort ankam, hörte es die laute, zornige Stimme des Vaters aus der offenen Stube schallen. Da wurde ihm himmelangst. Im Hausflur standen Leute, durch welche Großmutter sich drängte. Das Kind wand sich bis zu ihr hindurch und faßte sie am Rock. So wurde es mit bis in die Stube gezogen in welcher der Pachthofer sich soeben auf Felber gestürzt hatte, um ihn mit einem Messer zu erstechen. Sie rangen miteinander. Nun getraute sich des Messers wegen niemand mehr, den Pächter anzufassen. Er schäumte vor Wut. Felber versuchte, ihm vor allen Dingen die Waffe zu entreißen.
    Auch er war zornig, hatte aber die Überlegung nicht verloren. Bei seiner wohlbekannten Körperkraft stand zu erwarten, daß es ihm gelingen werde, den Gegner unschädlich zu machen; nur durfte man ihn nicht hindern, so zuzugreifen, wie er wollte. Das begriff aber seine Schwiegermutter nicht. Sie sprang auf ihn zu und faßte ihn am Arm, indem sie bat, daß er mit ihr kommen solle.
    „Laß mich los, Mutter!“ rief er.
    „Nein, nein!“ antwortete sie. „Ich halte dich fest, bis du mitgehst.“
    Sie hing sich so an ihn, daß er sich fast nicht rühren konnte.
    „Laß mich los!“ wiederholte er, indem die Adern seiner Stirn schwollen. „Wenn du mich hältst, so gibt es einen Mord!“
    „Herrgott, ein Mord!“ zeterte sie. „Du mußt mit fort, mit fort, gleich auf der Stelle!“
    Sie zwang ihn, den bewaffneten Arm des Pachthofers, den er bisher festgehalten hatte, freizugeben. Dieser holte aus und stach zu. Es gelang Felber, sich halb auf die Seite zu biegen. Der Stich streifte seinen Hals. Da war es mit seiner Selbstbeherrschung vorbei. Er riß die Mutter von sich los und schleuderte sie auf die Seite. Dann bückte er sich, um den Pachthofer zu unterlaufen, faßte ihn unter beiden Armen, hob ihn empor, schleuderte ihn auf die Diele nieder, daß es nur so krachte, warf sich auf ihn und riß ihm das Messer aus der Hand.
    In diesem Augenblick herrschte tiefe Stille in der Stube. Es war der Moment vor einer fürchterlichen Tat. Kein Mensch wagte, einen Laut auszustoßen, als Felber nun das Messer hob, um den erhaltenen Stich zurückzugeben. Kein Mensch? O doch!
    Großmutter lag am Boden. Neben ihr stand das Sonnenscheinchen. Es fühlte eine entsetzliche Angst in sich. Der Vater kniete auf dem Pächter, hatte mit der Linken seinen Hals umklammert und in der Rechten das Messer. Er sah so aus, daß man sich vor ihm fürchten mußte. Niemand sprach. Aber das Kind fühlte, daß man gerade jetzt etwas sagen müsse; es wußte nur nicht, was. Da fiel ihm das Gedichtchen ein, wegen dessen es der Großmutter ja nachgelaufen war. Es faltete die Händchen, drängte die Tränen der Angst, welche hervorbrechen wollten, zurück und rief:
    „Vater, ich kann es; ich habe es gelernt; ich werde es dir sagen.“
    Als Felber die liebe, klare Stimme seines Kindes hörte, wandte er den Kopf, hielt aber den Pächter um so fester. Reden konnte er nicht, dazu war er zu erregt. Da tat das Sonnenscheinchen zwei Schritte auf ihn zu und sprach deutlich und ohne allen Anstoß:
    „Komm mit hinaus in meinen Sonnenschein.
Ich bin der Frühling. Laß dich doch erflehen!
Der liebe Gott schickt mich zu dir herein.
Du sollst mit mir hinaus ins Freie gehen!“
    Was nun geschah, das läßt sich unmöglich erzählen. Worte reichen dazu nicht aus. Felber schloß zunächst für ein paar Augenblicke die Augen, als ob in seinem Innern etwas vor sich gehe, was niemand von außen sehen dürfe. Dann stieß er einen Schrei aus, der laut durch die Stube schmetterte und
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