Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
gebracht und ausgestellt, mit der Bilanz auf den heutigen Tag. Alle armen Schuldner sind ausgestrichen. Ihre Borgbücher liegen in hohen Haufen da, bis auf den letzten Heller quittiert; das wird eine Freude geben, so weit die Kundschaft reicht! Auf einem besonderen Tisch liegt ein geschriebenes Heft. Es enthält das ganze, ausführliche Sündenbekenntnis des Geldmännle, seine letzten Gedanken und sein Testament. Auf dem letzten Blatt des Hauptbuchs steht die Schlußrechnung. Ein eiserner Kasten enthält eine Menge gutes Bargeld in Gold und Silber und mehrere Pakete echter Kassenscheine, ganz außerordentliche Summen. Wenn man zu diesen Beträgen den Wert der Außenstände, des Grundbesitzes und des Inventars addiert und allen verursachten Schaden damit bezahlt, so bleiben noch an die zwanzigtausend Taler übrig, welche den Erben des Musteranton gehören sollen, weil das Geldmännle der Mörder desselben ist.“
    Die Mutter und das Herzle waren still, ganz still. Der Fremde aber hatte sich weit herübergebogen und rief aus:
    „Aber das ist ja ein Ereignis von allergrößter Wichtigkeit für diese ganze Gegend, und auch für – hm! Bitte, erzählen Sie weiter, weiter, weiter!“
    „Punkt zwölf suchte der Gasthofskutscher den Herrn Pfarrer und mich“, fuhr der Lehrer fort. „Der Wirt hatte ihn geschickt, um uns beiden den Schlüssel zur Gaststube zu bringen. Herr Frömmelt erwarte uns dort. Wir gingen sogleich hin, schlossen die Tür auf und traten ein. Was wir sahen, ließ uns beinahe erstarren. Es war die Ausstellung, wie ich sie beschrieben habe. Genau an der Stelle, wo der Neubertbauer sich erstochen hat, stand am Schenktisch ein Stuhl. Darauf saß der Musterwirt, mit demselben Messer im Herzen, bis an das Heft – eine Leiche! Wir brauchten einige Zeit, um uns zu fassen. Dann sahen wir die ausgestellten Sachen schnell durch. Wir beschlossen, keinen Menschen hineinzulassen und einen Wagen nach der Stadt zu schicken, um den Staatsanwalt, die Polizei und den Bezirksarzt zu holen. Dann mußte ich hierher zum Essen. Der Herr Pastor hat den Schlüssel. Grad als wir die Tür zuschlossen, kamen drei Fremde, welche zum Musterwirt wollten. Wir sagten ihnen, er sei tot. Sie schienen ungewöhnlich zu erschrecken und behaupteten, daß er ihnen eine Menge Geld schuldig sei. Sie verlangten in der zudringlichsten Weise, zu seiner Leiche gelassen zu werden, und ließen sogar auf der Straße nicht von uns ab. Da begegnete uns zufälligerweise unser Brüsseler Herr. Kaum sah er sie, da fuhr er auf sie los. Und kaum sahen sie ihn, so ergriffen sie die Flucht. Er rief uns noch zu, zwei von ihnen seien internationale Gauner, die auch ihn bestohlen hätten; dann rannte er hinter ihnen her.“
    „Das war eine kleine Nebenszene, weiter nichts“, sagte der Gast. „Solche Individuen scheinen bei jeder Ausstellung unvermeidlich zu sein. Bleiben wir bei der Hauptsache! Sie haben ganz richtig gehandelt, zuzuschließen und nach dem Staatsanwalt zu schicken. Man muß die Ankunft dieses Herrn abwarten und bis dahin verschwiegen sein. Mich aber haben Sie nun einmal eingeweiht, und so bitte ich um die Erlaubnis, einige Fragen aussprechen zu dürfen!“
    Natürlich blieb es nicht bei nur einigen Fragen. Der Fremde besaß eine so eigene, gütig zwingende Art, zu erfahren, was er wissen wollte. Es dauerte gar nicht lange, so war er in alles eingeweiht, was sich ereignet hatte. Dann bat er den Lehrer, mit ihm einen Gang durch das Dorf zu machen, um nachzusehen, was von den Bewohnern desselben ausgestellt worden sei.
    Sie gingen. Auch das Herzle mußte fort. Sie hatte heut' viele Pflichten, sogar öffentliche, die man noch sorgfältiger zu erfüllen hat, als die gewöhnlichen, häuslichen! Die Ehrengäste waren mit Musik zusammengeholt worden. Nun speisten sie bei einem lustig schallenden Konzert. Während desselben kam die Frau Pfarrerin mit der Anna nach dem Bergle. Sie hatte einen köstlichen Gedanken. Wie wäre es, wenn man nach der Speisung der Ehrengäste die sämtlichen Festjungfrauen einlüde, am Nachmittagskaffee hier oben am Häusle teilzunehmen! Die Mutter war sofort einverstanden, und auch das Karlinchen tat einen Freudensprung.
    „Habe ich es nicht gesagt!“ dachte sie. „Nur eine Festjungfrau hier auf dem Bergle, das war mir viel zu wenig. Ein Dutzend muß es sein. Ich wußte es doch gleich!“
    Selbstverständlich dauerte dieser Nachmittagskaffee bis in die blaue Dämmerung hinein. Platz war genug vorhanden, denn man hatte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher