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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof
Autoren: Karl May
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mitbringen sollen. Die anderen aber haben die ihrigen alle.
    Nun wird von der ersten Klarinette das eingetriebene a angeblasen, damit die anderen Instrumente erfahren, daß sie jetzt b zu sagen haben, worauf sie alle das Lied anstimmen ‚Den König segne Gott!‘ Jedermann fällt mit seiner Stimme ein! Am Schluß des Gesangs besteigt der Herr Lehrer die Tribüne, auf welcher ein Gegenstand liegt, der sehr schön eingewickelt ist. Er hält die Eröffnungsrede. Er spricht vom Weben und Wirken. Das soll ein jeder für sich, aber auch für andere tun! Für das Haus, für die Gemeinde, für das Volk, sogar für die ganze Menschheit. Der Menschheit ist keiner nütze, der immer nur an sich selbst denkt. Für sich selbst sorge man am besten, wenn man für seinen Nächsten sorge. Das tue jeder brave Mensch, sogar auch seine Majestät der König. Es sei allgemein bekannt, wie huldvoll er sich der hiesigen Armen angenommen habe. Und daß sich auch Ihre Majestät, die Frau Königin, für die fleißigen Klöpplerinnen warm interessiere, das wolle er jetzt beweisen. Sie habe ihm nämlich schriftlich befohlen, das wohlbekannte Herzle freundlich zu grüßen und ihr das hier vor ihm liegende Ehrenklöppelkissen zu überreichen.
    Bei diesen Worten öffnete er das Paket und brachte seinem vor Wonne ganz sprachlosen Herzle das königliche Geschenk von der Tribüne herunter. Wenn man aber denkt, daß er wieder hinaufgestiegen sei, um seine Rede zu vollenden und dann ein dreimaliges Hoch auf die Majestäten auszubringen, so irrt man sich. Es war zwar seine Absicht, dies zu tun, aber das Volk wartete diesmal gar nicht darauf, von dem Volksredner erst kunstmäßig begeistert zu werden, sondern die Begeisterung war schon gleich fertig vorhanden. Sie brach sich Bahn, wie damals das Musterbergle, als es aus dem Erdinnern herausgeflogen kam.
    „Hurra der König! Vivat die Königin! Dreimal Hurra und zehnmal und tausendmal Vivat alle beide! Das Herzle auch! Der Herr Lehrer! Der Herr Pastor! Die Ausstellung! Das Klöppelkissen! Hurra! Vivat!“ so riefen und jubelten viele Hunderte von Kehlen, bis man gar weiter nichts mehr hörte als nur ein einziges großes Gewitter von lauter „– rrah“ und „– vat“.
    Der Herr Lehrer hörte eine ganze Weile lachend zu. Aber als es gar kein Ende nehmen wollte, befahl er der Musik, den Festmarsch zu beginnen. Sofort fuhren die Instrumente an die Lippen, und es ging los: „Muß i denn, muß i denn zum Städtele hinaus, Städtele hinaus!“ Das ging sogleich bis in die Beine. Ein jeder hörte, daß man nicht mehr zu vivaten, sondern zu marschieren habe. Man ließ die Musik durch, hinter ihr die Festjungfrauen mit ihren Klöppelkissen, das Herzle mit dem Frau Königlichen! Dann kam das Komitee, und hierauf folgten die Gewerbe und Gewerke in der Ordnung, welche jedermann bekanntgegeben worden war.
    Der fremde Herr war auch dabei, denn als der Zug begann, hatte das Herzle ihn wieder bei der Hand genommen und grad vor sich hingestellt. So sah er sich gezwungen, mit als Festjungfrau anzutreten, was ihn aber ganz und gar nicht zu ärgern schien, denn er lachte am ganzen Gesicht. Er marschierte mit, das ganze Dorf hinauf und hinab, bis sich der Zug auf dem Festplatze aufzulösen hatte. Dort fragte er das Herzle, wo es einen Ort gebe, an dem man sich ein Stündchen ausruhen könne, ohne von zu großem Lärm belästigt zu werden. Da nahm sie ihn zum dritten Mal bei der Hand und führte ihn über das Brückle und das Bergle hinauf nach dem Häusle, wo er sich zur Mutter setzte, die ihm sogleich den Kuchenteller vor die Hände schob. Das Karlinchen war auch da. Sie sah ihn an und dachte bei sich selbst:
    „Der gefällt mir! Dem Herzle auch! Mit dem muß man es also halten!“
    Das Herzle hatte nur schnell den Gast abgeliefert und das Kissen auf den Tisch gelegt und war dann wieder fortgeeilt, um ihren vielen Pflichten als ‚Oberste‘ der Festjungfrauen zu genügen. Die Mutter wußte schon, woran sie mit dem Kissen war, denn während des Festmarsches durch das Dorf hatten sich alle möglichen Freundinnen bei ihr eingestellt, um es ihr zu berichten und dann schnell in das Dorf zurückzukehren. Man kann sich also denken, wovon und worüber sie mit dem Fremden sprach! Auf dem Tisch lag noch ein kleines Paket, welches der Musterwirt vorhin für den Herrn Lehrer geschickt hatte. Es wurde jetzt gar nicht beachtet.
    Als es nach einiger Zeit zwölf schlug, entschuldigte sich die Mutter, daß sie einmal in die Küche
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