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72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
Autoren: Karl May
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aus leichenblassen Gesichtern an.
    „Hering, viel Hering!“ gebot der Sänger. „Es ist mir ganz höllenjämmerlich zumute.“
    Das Verlangte wurde beschafft und in rohem Zustand verzehrt. Dann mußte der Diener einen doppelt starken Kaffee kochen und die Morgenzeitungen bringen.
    Sie saßen ungewaschen und unfrisiert am Tisch und stierten in die Blätter, ohne eigentlich zu lesen. Beide waren noch ziemlich unvermögend, zusammenhängend zu denken.
    Da aber fiel doch ein fettgedrucktes Wort, ein Name, in die Augen des Barons.
    „Sapperment, was ist das?“ sagte er. „Sollte bereits etwas von ihr da stehen?“
    „Von wem?“
    „Von der Ubertinka.“
    „Ist von ihr zu lesen?“
    „Ja, ziemlich viel. Und darunter stehen die beiden Buchstaben H und G.“
    „Dann ist's Goldmann, der Theateragent. Wenn ich mich nicht irre, ist Hugo sein Name.“
    „War er gestern mit bei Kommerzienrats?“
    „Ja.“
    „So ist er es allerdings, denn es ist erzählt, daß sie sich dort hat hören lassen.“
    „Also ein Bericht! Steht auch über mich etwas dabei?“
    „Weiß es noch nicht. Will es erst lesen.“
    „So lies es laut, denn ich bin jetzt noch nicht imstande, zu lesen. Es funkelt und flimmert mir vor den Augen.“
    Der Baron kam der Aufforderung nach. Aber er las auch nur langsam und mit Unterbrechungen:
    „Gestern abend war den glücklichen Gästen des kunstsinnigen Herrn Kommerzienrate Baron von Hamberger ein außerordentlicher und ungeahnter Genuß bereitet.
    Die berühmte Ubertinka trat einmal aus dem Geheimnis heraus, welches sie wie ein von Sternen getragener Nimbus umgeben hat. Auf den Flügeln eines von anderen kaum erreichten Ruhms ist sie nach unserer Kaiserstadt gelangt, ohne daß vorher jemand eine Ahnung davon haben konnte. Und kaum war sie hier angekommen, so hatte der Herr Kommerzienrat, wohl infolge des wohlverdienten Rufs, in welchem seine Salons stehen, das Glück, seine Einladung von ihr angenommen zu sehen.
    Natürlich blickten alle Anwesenden ihrem Erscheinen mit unbeschreiblicher Erwartung entgegen. Und als sie dann eintrat, vom Glorienschein der Schönheit und Jugend umwebt, da begann man zu ahnen, daß das Gerücht nicht zu viel von ihr erzählt habe.
    Und wenn schon ihre äußere Erscheinung zur Bewunderung hinriß, wie erst ihr Gesang! Denn obgleich man es natürlich nicht gewagt hatte, eine diesbezügliche Bitte an sie zu richten, so erriet sie doch den glühenden Wunsch der anwesenden Herrschaften und war so freundlich, sich dreimal hören zu lassen.
    Sie sang zwei ernste, tief innige Lieder von Karl Gerock und dann in Gemeinschaft mit einem Gast, dem vortrefflichen Herrn Hauptmann von Brendel –“
    „Sapperment!“ unterbrach sich der Vorleser. „Hauptmann von Brendel! Das ist er ja!“
    „Wer?“ fragte Anton.
    „Mein Kumpan, allerdings ein ganz und gar vortrefflicher Kerl!“
    „Hauptmann von Brendel? Ein Kumpan von dir? Und mir unbekannt!“
    „Habe ihn erst gestern kennengelernt.“
    „Wo?“
    „Auf der Maskerade.“
    „Doch nicht der lange Domino, von welchem du so unzertrennlich warst?“
    „Ganz derselbe. Weißt du, er kam mit dem weiblichen Domino, von welchem du allerdings sehr zertrennlich warst.“
    „Pah! Ein langweiliges Geschöpf. Also ein Hauptmann war der Lange? Hm! Alt?“
    „Ja. Beim Demaskieren sah ich, daß er weit in die Siebzig sein muß. Ich wollte ihn dir natürlich vorstellen, aber es mußte ihn wohl irgendeine Maske in Beschlag genommen haben, denn er war ganz plötzlich weg und ließ sich auch nicht wieder sehen.“
    „Scheint ein alter Lebemann zu sein?“
    „Das ist er.“
    „Gourmand, und doch kein Kostverächter.“
    „Wieso?“
    „Nun, an so einen Ort kommen doch nur Herren, welche sich eine Grisette holen wollen. Wenn also so ein alter Haudegen sich in den Domino steckt, so hat er die Absicht, liebenswürdig zu sein. Hat er Geld?“
    „Massenhaft! Wir haben Freundschaft geschlossen.“
    „So! Da werde ich ihn jedenfalls kennenlernen.“
    „Wenn du willst, so kannst du es haben.“
    „Natürlich! Wo wohnt er?“
    „Im Hotel – Hotel – Donnerwetter! Jetzt hab ich das Hotel vergessen! Daran ist der alberne Rausch schuld, den ich hatte.“
    „Er muß dir doch seine Karte gegeben haben?“
    „Natürlich! Ich habe sie irgendwo stecken.“
    Er suchte sie überall, bis er sie endlich neben dem Taschentuch im Schoß seines Rocks fand. Er gab sie dem Sänger. Dieser las: ‚Josef von Brendel, Königlicher Bayrischer Hauptmann
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