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69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen

69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen

Titel: 69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen
Autoren: Karl May
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Karten und Briefen herum, ohne aber den Brief zu bringen.
    „Nun?“ fragte Ludwig. „Ist er etwa nicht drin?“
    Der Wächter begann abermals, sich hinter dem Ohr zu kratzen.
    „Drin wird er schon sein“, antwortete er.
    „So nimm ihn doch heraus!“
    „Das geht doch nicht.“
    „Warum nicht?“
    „Weil ich ihn nicht finden kann.“
    „Ich habe dir doch die Adresse sagt.“
    „Freilich wohl – aber – aber –“
    „Was hast denn? Warum kratzt du dich so?“
    „Weil ich gar nicht an die Hauptsache gedacht habe.“
    „Und was ist das?“
    „Ich – ich – ich kann nicht lesen.“
    „O Jerum, das ist schlimm!“
    „Wie will ich also den Brief finden!“
    „Kannst ihn doch am Siegel derkennen!“
    „Ja, da sind einige mit Siegeln, mit großen und auch mit kleinen Siegeln. Aber weil ich nicht lesen kann, so weiß ich doch auch nicht, welches das richtige Siegel ist.“
    „So muß ich mir ihn doch selber suchen.“
    „Nein. Das geht nicht.“
    „Wann ich dich aber sehr schön bitten tu?“
    „Auch dann nicht. Da hilft kein Bitten und kein Betteln.“
    „Ich muß doch meinen Brief haben!“
    „So mußt du eben warten, bis die andern aufgewacht sind.“
    „Bis der Zug kommt? Das ist mir zu lang, viel zu lang!“
    „Ich kann es nicht ändern.“
    „Hast mir's aber doch versprochen!“
    „Ich hatte vergessen, daß ich nicht lesen kann.“
    „Also ein Beamter, der sein Wort nicht hält!“
    „Oho!“ meinte der Wächter zornig.
    „Ja, ein Wortbrüchiger! Und nun glaub ich's doch nicht, daßt ein Beamtern bist. Ein Angestellter muß lesen können.“
    „Schweig! Sonst steck ich dich hinaus. Ich verbitte es mir sehr, mich hier in unserem Büro zu beleidigen.“
    „Beleidigen will ich dich nicht; aber von einem Beamten verlange ich auch, daß er sein Wort hält.“
    „Das ist mir dieses Mal unmöglich.“
    „Ja, warum soll ich mir den Brief nicht selberst suchen?“
    „Weil du die Adressen der andern nicht lesen darfst.“
    „Das will ich doch gar nicht.“
    „Aber du wirst sie doch lesen, wenn du in den Korb blickst.“
    „So können wir es anders machen. Ich schau gar nicht in den Korb.“
    „Wohin sonst?“
    „Du nimmst einen Brief nach dem andern heraus und zeigst ihn mir. Ich sage dir dann, ob es der richtige ist.“
    „Ja, das geht; da hast du recht. Auf diese Weise wird es gehen. Du siehst dir die einzelnen Adressen an, aber natürlich ohne sie zu lesen. Dann wirst du deinen Brief erkennen.“
    So wurde es gemacht. Da der Inhalt des Korbes überhaupt kein bedeutender war, so dauerte es nur wenige Augenblicke, bis Ludwig den Brief hatte.
    „So“, sagte der Wächter. „Man muß nur alles beim richtigen Anfang beginnen, dann nimmt es auch ein ordentliches Ende. Nun bist du wohl befriedigt?“
    „Vollständig.“
    „Und hast mich wirklich in meinem Amt gesehen.“
    „Natürlich! Das muß ich denen Leuten derzählen, wast jetzund für ein Kerlen bist.“
    „Ja, das kannst du immer tun. Es schadet gar nichts, wenn die Leute erfahren, daß unsereiner auch ein Mann bei der Spritze ist. Jetzt aber müssen wir wieder hinaus.“
    Er löschte die Lampe aus und schloß, als sie beide das Zimmer verlassen hatten, die Tür wieder zu.
    „Nun kannst du heimkehren“, meinte er. „Die Verwechslung der Briefe kann wieder umgeändert werden. Das hast du aber nur mir zu verdanken.“
    „Natürlich. Ich werd's dir nie vergessen. Und nun muß ich doch auch fragen, was ich dir schuldig bin.“
    „Schuldig? Habe ich dir vielleicht einmal etwas geborgt?“
    „Nein.“
    „Ich könnte mich auch auf nichts besinnen.“
    „Ich meine heut. Es ist doch eine jede Amtshandlung zu bezahlen.“
    „Sapperment! Daran habe ich gar nicht gedacht. Du hast doch die Gebühren und Sporteln zu entrichten.“
    „So sag, wie viel!“
    „Das weiß ich nicht.“
    „Als Beamter!“
    „Davon steht in meiner Instruktion nichts. Hast du vielleicht zufällig mal gehört, wie viel man für die Aushändigung eines verirrten Briefes zu bezahlen hat?“
    „Nein.“
    „So ist das eine schlimme Geschichte. Ich muß doch nach den Gesetzen handeln. Ich darf das Geld nicht verschenken.“
    „Freilich nicht. Aber auf dem Gnadenweg darfst's mir erlassen.“
    „Ist das wahr?“
    „Ganz gewiß.“
    „Nun wohl, so will ich Gnade vor Recht ergehen lassen und dir die Sporteln schenken. Bist du nun zufrieden?“
    „Sehr.“
    „Aber weißt du, ein paar Kreuzer könntest du mir doch zukommen lassen. Ich bin ein armer
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