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69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen

69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen

Titel: 69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen
Autoren: Karl May
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Schweiß hat, hat Veranlassung sich zu parfümieren. Treffe ich also eine Dame, welche sich irgendeines Wohlgeruches bedient, so bin ich stets gleich überzeugt, daß sie eigentlich eine übelduftende Persönlichkeit ist. Meinen Sie nicht auch?“
    „Ich gestehe aufrichtig, daß ich es leider bisher unterlassen habe, eine Dame genau anzuriechen.“
    „Das müssen Sie in Zukunft immer tun. Sie werden dann einsehen, daß ich recht habe. Also weiter! In der anderen Ecke saß eine lange, hagere Vogelscheuche. Sie hatte eine so lange Nase, daß man an der Spitze derselben leicht eine elektrische Beleuchtung hätte anbringen können. Sie schlief und schnarchte laut dazu.“
    „O weh!“
    „Ah, Sie können das Schnarchen auch nicht leiden?“
    „Nein.“
    „Ganz mein Fall. Ich erkenne überhaupt, daß wir im höchsten Grad miteinander harmonieren. Doch wissen Sie, ein richtiges Schnarchen, welches ungefähr so klingt wie ein Strumpfwirkerstuhl, das ist noch zu ertragen, denn da liegt Kraft und Energie darin, also etwas sehr Lobenswertes. Diese Dame aber schnarchte ganz anders. Sie öffnete den Mund so weit, daß ihr das falsche Gebiß herausfallen wollte, zog die Luft mit einem entsetzlichen ‚Chchchchchchchchchch‘ ein, blieb dann plötzlich stecken, schnappte nach Atem, klappte den Mund erschrocken zu und stieß die Luft mit einem brausenden ‚Pwww‘ wieder von sich. Das machte mich ungeheuer nervös. Erst dachte man, sie werde ersticken, und dann glaubte man, sie müsse zerplatzen, und das wiederholte sich mit jedem Atemzug.“
    „Sehr fatal!“
    „Nicht wahr? Ja, Sie und ich, wir beide sind einander höchst sympathisch.“
    „Wenigstens schnarche ich nicht.“
    „Und ich dufte nicht.“
    „Gab es nicht noch eine dritte interessante Ecke in diesem unglückseligen Coupé?“
    „Leider ja. Darin saß ein Backfischchen. Das liebe Seelchen mochte in ihrem Leben die Mama zum ersten Mal verlassen haben. Sie weinte ohne Unterlaß. Ihre Ecke schien der Entspringungsort des Rheins oder der Donau zu sein. Und das Weinen kann ich auch nicht vertragen. Es wird mir da so weich im Magen, als ob ich an seiner Stelle zehn Tafeln Watte im Leibe hätte. Und Sie geben wohl zu, daß dies kein sehr angenehmes Gefühl sein kann?“
    „Ganz gern. Und in der vierten Ecke saßen wohl Sie selbst?“
    „Ja. Weitere Passagiere gab es nicht.“
    „Ich bedaure Sie!“
    „Ja, Sie besitzen ein ausgezeichnet gutes Herz. Das sieht man Ihnen sofort an. Ich fühlte mich in dieser Gesellschaft ganz unheimlich und sann natürlich auf Abhilfe. Ich wendete mich zunächst an den Backfisch, indem ich eine teilnehmende Frage aussprach. Aber meiner Absicht grad entgegengesetzt, heulte die Kleine nun noch mehr. Erst waren die Tränen erbsengroß gewesen, jetzt nahmen sie sofort die Größe einer Haselnuß an. Ich bat sie nun, sich zu beruhigen und ja nicht so fortzuweinen; da wurden die Tropfen walnußdick. Hätte ich noch ein einziges Wörtchen gesagt, so hätte sie Kegelkugeln geweint und wäre in zwei Minuten ganz in Wasser zerflossen gewesen. Ich wendete mich also von ihr ab und an die Dame mit dem Mops. Kaum aber hatte ich den Mund geöffnet, so bellte mich das Vieh wütend an und zeterte in allen möglichen Sprachen und Mundarten des Tierreichs.“
    „O weh!“
    „Und wissen Sie, wie die Dicke ihren Mops verteidigte oder vielmehr entschuldigte?“
    „Nun?“
    „Sie sagte zu mir: ‚Lassen Sie ihn! Er tut Ihnen nichts. Er kennt Sie nicht, denn Sie sind ihm noch nicht vorgestellt worden.‘ Ist das nicht impertinent?“
    „Mehr als das!“ lachte der Fex.
    „Nach diesem Mißerfolge wendete ich mich an die Schnarcherin. Ich richtete eine höfliche Frage an sie. Sie starrte mich erstaunt an und sagte mir frank und frei in das Gesicht, daß ich sie in Ruhe lassen solle.“
    „Das war ja gradezu grob!“
    „Natürlich! Aber es gab mir die Veranlassung, meinerseits auch grob mit ihr zu sein. Ich sagte ihr also, daß sie nicht so gewaltig schnarchen solle. Da wurde sie freilich gesprächig, und wie! Sie behauptete, ich hätte das Rollen des Zuges, das Pfeifen und Stöhnen der Maschine mit ihren leisen Atemzügen verwechselt, und gab mir den guten Rat, meine Ohren besser in Ordnung zu halten. Im nächsten Augenblick schnarchte sie weiter, entsetzlicher noch als vorher. So hatte ich vor mir ein duftendes, ein schnarchendes und ein in Schmerzen zerfließendes Wesen. Das war nicht auszuhalten, und ich bat den Schaffner um ein anderes Coupé.
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