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69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen

69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen

Titel: 69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen
Autoren: Karl May
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dasselbe wäre ihm die Dicke wirklich nachgelaufen und hätte ihn nicht sogleich aus dem Garn gelassen. Nachdem er ihr nochmals von weitem sein Abschiedskompliment gemacht hatte, war er fortgegangen, nicht durch die Stadt, sondern hinter derselben weg, ganz denselben Weg, auf welchem damals die Leni mit dem Wurzelsepp zusammengetroffen war und dann die bekannte Szene mit dem Fingerl-Franz gehabt hatte. Dieser Weg bog dann am Ende der Stadt in den Fahrweg ein, welcher zur Mühle führte.
    Aber auch diesen letzten vermied der Fex. Er ging vielmehr quer über die Wiesen nach dem Fluß hinüber und verfolgte das Ufer desselben abwärts, um nach der Fähre zu gelangen. Er tat das, um von der Mühle aus ja nicht bemerkt zu werden.
    Nach einiger Zeit erreichte er den Ort, an welchem er den bedeutendsten Teil seiner Sklavenzeit verlebt hatte. Links vor ihm lag die Höhe mit dem Zigeunergrab, von welchem wohl auch jetzt noch kein Mensch ahnte, daß es leer sei, und rechts war die Fähre an das Ufer gekettet. Kein Mensch befand sich bei derselben.
    Beim Anblick dieser Gegend und der alten Fähre trat die Vergangenheit vor sein geistiges Auge. Er gedachte der leidensvollen Jahre, welche nun glücklicherweise verschwunden waren, und des lieben, schönen Wesens, durch dessen Teilnahme ihm die vergangene Nacht wie durch einen mild strahlenden Stern erleuchtet worden war – an Paula.
    Er lehnte sich an einen Baum. Es war derselbe, an welchem damals die Leni lehnte, als er ihr sein Gedicht vorgelesen hatte:
    „Als alle mich vergessen hatten
In meines Unglücks dunkler Nacht,
Stand ich in meines Königs Schatten,
Mein König hat an mich gedacht!“
    Unwillkürlich griff er in die Tasche, zog sein Portefeuille hervor und nahm einen Brief heraus, der letzte, welchen er erst jüngst von Paula erhalten hatte. Sie war ihrem Versprechen nachgekommen: Sie hatte ihm geantwortet, so oft er einige Zeilen an sie gerichtet hatte.
    Er faltete das Blatt auseinander und las die letzten Sätze des Briefes:
    „Besser ist es nicht geworden, seit du fort bist. Der Vater hat zwar durch den neuen Badearzt Hoffnung erhalten, von seiner Lähmung geheilt zu werden, aber das hat in seinem Charakter keine Änderung hervorgebracht. Er ist zornig auf dich und mich. Er meint noch immer, daß ich die Frau des Fingerl-Franz werden müsse und läßt mir keine Ruh. Da habe ich in meiner Bedrängnis keinen Menschen, der mir Trost und Mut zuspricht. Du fehlst mir gar sehr, mein lieber Fex. Dennoch bleibe ich stark und widerstehe allem, obgleich der Franz mich auf Schritt und Tritt verfolgt. Wenn das nicht anders wird, so verlasse ich die Mühle und gehe in die weite Welt. Einen Dienst werde ich wohl finden, und wenn ich da meine Pflichten brav erfülle, so habe ich wenigstens vor denen Ruhe, gegen die ich mich jetzt nur so schwer verteidigen kann.“
    Er faltete den Brief zusammen und steckte ihn wieder ein.
    „Armes Kind!“ sagte er. „Das muß freilich anders werden. Vielleicht kennt der Sepp deine Lage und weiß, wie da zu helfen ist. Vielleicht hat er mir grad deshalb telegrafiert. Wer weiß, was er für Absichten hat. Es ist möglich, daß die Hilfe viel näher ist, als wir denken.“
    Er wurde durch nahende Schritte in seinen Gedanken gestört. Er trat hinter dieselben Sträucher, hinter denen er damals mit dem Wurzelsepp gesteckt hatte, um den Finger-Franz im Fuchseisen zu fangen.
    „Wenn man den Teufel an die Wand malt, so kommt er“, sagt ein altes Sprichwort. Der Nahende war kein anderer als der soeben Erwähnte, der Finger-Franz. Er trat, ohne den Fex zu bemerken, an die Fähre, blickte sich um und stieß, als er keinen Fährmann bemerkte, einen scharfen Pfiff aus. Dieser wurde aus einiger Entfernung beantwortet, und bald kam ein zerlumpter Kerl dahergeschlendert, welchen der Fex nicht kannte. Er hatte ihn noch niemals gesehen.
    „Wo steckst du denn eigentlich!“ zürnte Franz. „Wann man dich braucht, so bist nicht da.“
    „Nun, ich bin doch hier!“ antwortete der Mann in mürrischer Weise.
    „Nachdem ich dich erst rufen mußt. Wannst so fortmachst, wirst nimmer lang mehr Fährmann sein!“
    „Das ist auch kein Unglück. Was hab ich für ein Geldl für die Überfahrt? Zwei Pfennige zahlt die Personen. Wann es Abend ist, so hab ich zwanzig oder dreißig, wann es hoch kommt, und davon soll ich leben!“
    „Ja, bessern ist's, du gehst wiederum betteln durch das Land! Da war der Fex schon ein anderer Kerlen. Der stand stets auf seinem
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