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64 Grundregeln ESSEN

64 Grundregeln ESSEN

Titel: 64 Grundregeln ESSEN
Autoren: Michael Pollan
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Gesundheitskampagnen im Bereich Ernährung. Stattdessen liegt der Schwerpunkt darauf, den einen schlechten Nährstoff in der westlichen Kost zu identifizieren, damit die Lebensmittelhersteller an ihren Produkten herumdoktern können und die Ernährungsproblematik als solche nicht in Frage gestellt wird, und damit die Pharmafirmen ein Mittel gegen diesen »schlechten« Nährstoff entwickeln und verkaufen können. Warum ist das so? Nun, mit der westlichen Ernährung lässt sich eine Menge Geld verdienen. Je mehr Sie irgendein Lebensmittel verarbeiten, desto mehr Gewinn wirft es ab. Die Gesundheitsindustrie verdient mehr Geld mit der Behandlung chronischer Krankheiten (für die die Amerikaner drei Viertel der zwei Billionen Dollar aufwenden, die in den USA jährlich für die medizinische Versorgung ausgegeben werden) als mit ihrer Vorbeugung. Und deshalb ignorieren wir »den Elefanten im Wohnzimmer« und konzentrieren uns stattdessen auf gute und schlechte Nährstoffe, deren Identität sich mit jeder neuen Studie zu ändern scheint. Für die Nahrungsmittelindustrie ist diese Unsicherheit jedoch nicht unbedingt ein Problem, denn auch Verwirrung ist gut fürs Geschäft: Ernährungsexperten werden unentbehrlich, Lebensmittelhersteller können ihre Produkte (und die entsprechenden Gesundheitsbehauptungen) so umbauen, dass den neuesten Ergebnissen Rechnung getragen wird. Und die Medienvertreter unter uns, die diese Themen verfolgen, haben immer neue Ernährungs- und Gesundheitsgeschichten, über die sie berichten können.

    Als Journalist weiß ich den Wert des weitverbreiteten öffentlichen Durcheinanders zu schätzen: Unser Geschäft ist das Erklären, und wenn die Antworten auf die von uns untersuchten Fragen zu einfach werden, geht uns die Arbeit aus. Ich war tatsächlich einen Moment lang sehr verunsichert, als mir nach den jahrelangen Recherchen für mein vorheriges Buch Lebens-Mittel klar wurde, dass die Antwort auf die vermeintlich unglaublich komplizierte Frage, was wir essen sollen, letztendlich gar nicht so schwierig war; im Grunde ließ sie sich in sieben Worten zusammenfassen:
    Essen Sie Lebens-Mittel. Nicht zu viel.
Und vorwiegend Pflanzen.
    Das war die Quintessenz, und es war befriedigend, sie gefunden zu haben; sie war ein Stück fester Boden ganz unten im Sumpf der Lebensmittelwissenschaft: sieben einfache Worte, die man auch verstehen konnte, wenn man kein Uni-Examen in Biochemie hatte. Aber sie hatten auch etwas Beunruhigendes, denn der Verlag erwartete ein paar tausend Worte mehr. Zum Glück für uns beide, den Verlag und mich, wurde mir aber klar, dass diese Geschichte, also die einfache Frage nach der richtigen Ernährung, so kompliziert werden konnte, dass sie durchaus erzählenswert war. Und die Auflösung der Komplexität stand dann auch im Fokus meines Buches »Lebens-Mittel«.
    Das vorliegende Buch setzt einen anderen Schwerpunkt. Hier geht es sehr viel weniger um Theorie, Geschichte und Wissenschaft, dafür sehr viel mehr um unseren Alltag, um die
Praxis. In diesem kurzen, radikal komprimierten Handbuch fächere ich die drei Empfehlungen in ein umfassendes Set von Regeln oder persönlichen Strategien auf, die Ihnen helfen sollen, echte Lebens-Mittel nur in Maßen zu essen und sich dadurch letzten Endes von der westlichen Ernährung zu verabschieden. Ich formuliere diese Regeln in der Alltagssprache; das ernährungswissenschaftliche oder biochemische Vokabular vermeide ich bewusst, auch wenn sich die meisten Regeln durch wissenschaftliche Studien untermauern lassen.
    Dieses Buch richtet sich nicht gegen die Wissenschaft. Im Gegenteil, als ich bei meinen Recherchen die Plausibilität der Regeln prüfte, haben mir die Wissenschaft und ihre Vertreter gute Dienste geleistet. Aber vieles von dem, was als Ernährungswissenschaft gilt, betrachte ich mit Skepsis. Ich glaube, dass es in dieser Welt andere Quellen für Weisheit gibt und andere Terminologien, um intelligent über das Essen zu reden. Die Menschen haben auch schon in den Jahrtausenden zuvor gut gegessen und ihre Gesundheit erhalten, in denen es keine Ernährungswissenschaft gab, die ihnen sagte, wie man dieses Ziel erreicht. Es ist möglich, sich gesund zu ernähren, auch wenn man nicht weiß, was ein Antioxidans ist.
    Auf wen haben wir uns also verlassen, bevor die Wissenschaftler (und in ihrem Kielwasser Behörden, Organisationen des Gesundheitswesens und Lebensmittelvermarkter) uns sagten, was wir essen sollten? Natürlich auf unsere
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