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62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

Titel: 62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen
Autoren: Karl May
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amerikanische Tänzerin?“
    „Ja, Madame.“
    „Oh, da werden sie nicht abgewiesen! Sie werden Ihre Kollegin bei ihm finden, nämlich Mademoiselle Leda.“
    Sie schritt voran und Ellen folgte ihr. Da drang ihnen ein unerklärlicher Skandal entgegen. Sie eilten schnell vorwärts, öffneten die Tür und erblickten nun die ganze farbenreiche Bescherung.
    Die Frau des Ballettmeisters konnte den Vorgang zwar nicht begreifen, aber sie sah ihren Mann im Kampf mit der Tänzerin. Sie eilte auf beide zu, schlug, um ihrem ‚Arthur‘ zu helfen, auf seine Gegnerin ein, wurde aber von vier Armen gepackt, niedergerissen, in der Brühe hin- und hergewälzt und erhielt nun von zwei Seiten Prügel.
    „Um Gottes willen, was ist geschehen?“ fragte die fremde Dame die vor Aufregung zitternde Hilda.
    „Ach, retten Sie mich! Sie wollen mich zwingen, Modell zu sitzen. Ich will lieber sterben!“
    „Sie armes Kind! Ist das der Ballettmeister?“
    „Ja.“
    „Und ist dieses Frauenzimmer die Tänzerin Leda?“
    „Ich weiß es nicht. Wir wollen gehen!“
    „Nein. Bleiben Sie! Kein Mensch soll Ihnen ein Leid zufügen. Sie stehen unter meinem Schutz. Aber, wie bringen wir die Balgenden auseinander?“
    Sie wollte der sich am Boden wälzenden Gruppe nähertreten; allein Hilda hielt sie am Arm fest und sagte in angstvollem Ton: „Nein, nein; gehen Sie nicht hin, Fräulein! Sie werden doch nur in den Streit verwickelt!“
    „Sie mögen recht haben. Setzen wir uns, um einfach als Zuschauer abzuwarten, bis dieses interessante Knäuel sich entwirrt hat.“
    Die beiden zogen sich in eine sichere Ecke zurück; in welcher sie zwei Plätze fanden, wo sie hoffen konnten, in die Balgerei nicht verwickelt zu werden.
    Dieselbe schien überhaupt sich jetzt ihrem Ende zu nähern. Die Balletmeisterin hatte ihre kreischende Stimme mit solcher Macht erhoben, daß ihr Mann jetzt erkennen mußte, er habe seine eigene andere Hälfte mit denjenigen Faustschlägen traktiert, welche der Tänzerin gegolten hatten.
    „Aurora!“ rief er aus. „Bist du es denn?“
    „Natürlich!“ antwortete sie. „Was trommelst du denn auf mich hinein?“
    „Ich kann dich ja nicht sehen, mein Liebling!“
    „So laß mich nur wenigstens frei!“
    „Gut! Hier! Aber nun hilf auch mir mit los!“
    „Gleich, gleich!“
    Sie faßte die Tänzerin mit solchem Nachdruck bei der Kehle, daß diese ihre Hände von dem Tanzmeister nahm.
    „Gott sei Dank!“ ächzte dieser. „Ich atme wieder auf!“
    Er raffte sich vom Boden auf, und auch die beiden Damen taten dasselbe.
    „Welch eine Unverschämtheit!“ stöhnte die Tänzerin. „Über mich herzufallen wie ein Räuber, wie ein Wilder!“
    „Sie selbst waren schuld!“ verteidigte er sich. „Ich wollte Sie aufheben. Sie aber schlugen sogleich auf mich ein.“
    „Ich dachte, dieses Frauenzimmer, die Nähmamsell, vor mir zu haben. Wo ist sie denn?“
    „Ich weiß es nicht. Ich kann ja nicht sehen!“
    „Ich auch nicht.“
    „Und auch ich nicht!“
    So standen diese drei jetzt beisammen und rieben sich die Augen. Da fiel dem Ballettmeister die zunächstliegende Hilfe ein. Er sagte:
    „In der Ecke am Fenster haben wir ja Wasser und auch das Handtuch.“
    Sie begaben oder vielmehr tappten sich nach der angegebenen Ecke, um am Waschtisch den Versuch zu machen, wenigstens zunächst die Augen frei zu bekommen. Sie verzichteten zunächst auf jede mündliche Auseinandersetzung und gaben sich nur dieser einzigen Bemühung hin. Herr Arthur war der erste, welcher den Gebrauch des Sehens wieder erlangte. Sein Blick fiel auf die Umgebung.
    „Herr, mein Heiland!“ sagte er. „Welch eine Bescherung ist da angerichtet worden!“
    Seine Frau blinzelte an sich hernieder und jammerte:
    „Und mein Kleid, mein Anzug! Meine ganze Toilette ist hin, ist verdorben!“
    Die Tänzerin rieb sich mit dem Handtuch die Farbe im Gesicht breit und versuchte, die zusammengekleisterten Augenlider auseinander zu ziehen. Es gelang ihr so leidlich.
    Nun blickten sich die drei an. Sie wußten zunächst nicht, welchen Ausdruck sie der gegenwärtigen Situation geben sollten. Dann aber schlug die Leda plötzlich ein schallendes Gelächter an und rief:
    „Herr Ballettmeister, blicken Sie einmal in den Spiegel!“
    „Wozu?“ brummte er zornig.
    „Sie sehen so bunt aus, wie ein Stieglitz!“
    „Das läßt sich denken!“
    „Dort im Kienöltopf steckt Ihre Perücke!“
    „Donnerwetter!“
    Er griff nach seinem Kopf und bemerkte erst jetzt, daß er die
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