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61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: 61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
Autoren: Lee Child
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abgewetzten Ledersessel hinter dem Schreibtisch. In seinem Rücken hatte er ein Panoramafenster – ohne Vorhänge, aber mit Dreifachverglasung gegen die Kälte. Die Scheibe frisch geputzt. Draußen finstere Nacht. Schnee auf dem äußeren Fensterbrett, ein Heizkörper unter der inneren Fensterbank.
    Reacher nahm auf einem der Besucherstühle vor dem Schreibtisch Platz.
    Holland sagte nichts.
    Reacher fragte: »Worauf warte ich?«
    »Wir wollten Ihnen dieselbe Gastfreundschaft wie den anderen anbieten.«
    »Aber ich war schwerer zu vermitteln?«
    Holland lächelte müde. »Eigentlich nicht. Andrew Peterson hat angeboten, Sie bei sich aufzunehmen. Aber er ist noch be schäftigt. Deshalb müssen Sie warten.«
    »Womit beschäftigt?«
    »Was Cops eben so tun.«
    Reacher sagte: »Bolton ist größer, als ich erwartet hatte. Auf dem Navi im Bus war es nur ein Punkt auf der Landkarte.«
    »Wir sind gewachsen. Die Navi-Software ist vielleicht ein bisschen veraltet.«
    Das Dienstzimmer war überheizt. Reacher zitterte nicht mehr, sondern begann zu schwitzen. Seine Kleidung trocknete, fühlte sich steif und schmutzig an. Er sagte: »Sie sind gewachsen, weil hier ein Gefängnis gebaut wurde.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Neuer Gefängnisbus. Neues Schild an der Landstraße.«
    Holland nickte. »Wir haben ein nagelneues Bundesgefäng nis. Wir haben uns darum beworben. Alle wollten es. Das ist, als hätte Toyota hier ein Montagewerk eröffnet. Oder Honda. Viele Jobs, viele Dollars. Dann ist das neue Staatsgefängnis angegliedert worden, das noch mehr Jobs und Dollars gebracht hat, und das Bezirksgefängnis ist auch dort.«
    »Sind die Motels heute Abend deshalb voll, weil morgen Besuchstag ist?«
    »Insgesamt gibt’s drei Besuchstage in der Woche. Und wegen der schlechten Busverbindungen müssen die meisten Leute zweimal hier übernachten. Also sind die Betten sechs Nächte in der Woche belegt. Die Motelbesitzer schwimmen in Geld. Auch die Schnellrestaurants, die Pizzerias und Pendelbusleute. Wie schon gesagt: Jobs und Dollars.«
    »Wo liegt der Komplex?«
    »Fünf Meilen nördlich von hier. Ein Geschenk, das sich ständig erneuert.«
    »Glückwunsch«, sagte Reacher.
    Holland schwieg einen Augenblick. Dann sagte er: »Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, das weiß ich seit Langem.«
    Der Kerl im Parka klopfte an, trat sofort ein und legte dem Chief einen zugeklappten Fallordner hin. Die Wanduhr zeigte zwanzig Uhr an, was nach der Uhr in Reachers Kopf ungefähr stimmte. Holland drehte sich etwas zur Seite, schlug den Ordner auf und hielt ihn ziemlich schräg, weil Reacher den Inhalt nicht sehen sollte. Aber der spiegelte sich in der Fensterscheibe neben seinem Kopf. Der Ordner enthielt Tatortaufnahmen, farbige Hochglanzfotos im Großformat mit darunter eingeklebten Erläuterungen. Holland blätterte sie durch. Erst eine Gesamtaufnahme, dann eine Serie von Nahaufnahmen. Eine liegende Gestalt in schwarzer Kleidung, groß, vermutlich männlich, vermutlich tot, schneebedeckter Boden, stumpfe Gewalteinwirkung gegen die rechte Schläfe. Kein Blut.
    In dem Reisebus hatte Knox sein Handy zugeklappt und gesagt: Die Stadt Bolton hat eine Polizei. Sie schickt einen Mann her. Aber das kann dauern, weil sie mit ihren eigenen Problemen beschäftigt sind.
    Holland klappte den Ordner zu. Sagte nichts. Ein zurückhaltender, wortkarger Mann. Wie Reacher selbst. Zuletzt saßen sie sich nur noch schweigend gegenüber. Kein feindseliges Schweigen, obwohl darin etwas Unterschwelliges mitschwang. Holland ließ eine Hand auf dem Fallordner liegen und seinen Blick gelegentlich zwischen ihm und seinem Besucher hin und her wandern, als wäre er sich noch nicht sicher, wer sein größeres Problem darstellte.
    Acht Uhr abends in Bolton, South Dakota, war neun Uhr abends in Mexico City. Zweitausendsiebenhundert Kilometer südlicher, fünfunddreißig Grad wärmer. Der Mann, der den Anruf von dem Prepaidhandy, das sich nicht zurückverfolgen ließ, entgegengenommen hatte, war dabei, selbst zu telefonieren – aus seiner mit einer Mauer umgebenen Stadtvilla mit einem hundertfünfzig Kilometer entfernten, von einer Mauer umgebenen Komplex auf dem Land. Der andere würde kommentarlos zuhören und ihm eine Entscheidung binnen zwölf Stunden zusagen. So lief die Sache immer. Nichts, was der Mühe wert war, ließ sich ohne Grübeln und Nachdenken erreichen. Nur durch Grübeln und Nachdenken ließen sich impulsive Fehler vermeiden und kühne
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