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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken
Autoren: Karl May
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Nacken herabfiel.
    „Da ist die Hofdame fertig!“ sagte sie. „Kein Graf brauchte sich zu schämen, an meiner Seite zu sitzen! Sehen wir einmal, wie sich die Schleppe legt!“
    Sie schritt langsam auf und ab. Der schwere seidene Stoff rauschte über den Teppich dahin. Daher kam es wohl, daß die Zofe ein leichtes Klopfen überhörte. Die Portieren wurden hinter ihr auseinandergeschlagen, ohne daß sie es bemerkte, und der Cousin Franz von Helfenstein, mit dem sie vorhin auf dem Korridore gesprochen hatte, trat ein. Als er das Mädchen erblickte, machte er eine Bewegung der Überraschung und rief aus:
    „Donnerwetter! Ella! Ich glaubte, Cousine Alma hier zu treffen!“
    Sie stieß einen Schrei aus und fuhr erschrocken herum.
    „Mein Gott! Herr Baron!“ rief sie. „Ich habe vergessen, das Vorzimmer zuzuriegeln!“
    „Das ist allerdings eine ganz bedeutende Vergeßlichkeit! Stände Cousinchen hier an meiner Stelle, sie würde wohl weniger nachsichtig sein als ich!“
    Er war nähergetreten und betrachtete sie mit verschlingenden Blicken. In seinen Augen flackerte es eigentümlich auf, nicht hell und rein, sondern trüb und unbestimmt, wie Irrlichter über die schmutzige Fläche eines Sumpfes tanzen.
    „Ich wollte – wollte –“, stotterte sie in größter Verlegenheit.
    „Sie wollten einmal dieses Kleid anlegen, um zu sehen, ob ich wirklich recht hatte, als ich gestern behauptete, daß Sie viel schöner seien als Alma. Nicht wahr?“
    Sie erglühte bis tief in den Nacken herab. Um seine Lippen her spielte ein faunisches Lächeln. Er ergriff mit der Linken ihre Hand, strich ihr mit der Rechten in grob sinnlicher Liebkosung über den nackten Arm und sagte:
    „Liebe Ella, Sie können immerhin eingestehen, daß Sie schön sind; auch ich sehe es ja. Lassen Sie mich Ihnen meine Huldigung darbringen, so wie Sie es verdienen.“
    Er zog sie an seine Brust. Sie sträubte sich leise, aber keineswegs ernstlich, und dabei flüsterte sie:
    „Herr Baron, Sie lieben ja doch eine andere.“
    „Eine andere? Hm! Meinen Sie etwa, daß man nur diejenige schön finden und küssen darf, welche man liebt?“
    „Ja. Ich meine, daß man treu sein muß.“
    „Das bin ich ja. Ich bin der Schönheit treu; denn ich huldige ihr und bete sie an da, wo ich sie nur immer finde. Komm, du prächtiges Kind! Ich will dir zeigen, wie ich dich bewundere und anbete.“
    Er ließ sich auf einen Sessel nieder, zog sie auf seinen Schoß, legte die Arme fest um sie und küßte sie, ohne daß sie sich Mühe gab, ihm einen ernsten Widerstand zu leisten. Er war wie berauscht von dem Anblick so vieler Reize; sie aber duldete seine feurigen Umarmungen mehr aus Berechnung als aus einem anderen Grund.
    „Nicht so ungestüm, Herr Baron! Solche Liebkosungen darf ich nur von dem entgegennehmen, welcher einst mein Mann sein wird.“
    „Dein Mann? Oh, das wäre herrlich! Ich wollte, daß du mein Weibchen sein könntest. Dann könnten wir Liebe schlürfen und trinken, ohne befürchten zu müssen, überrascht zu werden.“
    „Das ist wahr“, antwortete sie, indem sie eine Bewegung machte, von ihm loszukommen. „Das gnädige Fräulein kann alle Augenblicke zurückkehren. Bitte, lassen Sie mich!“
    „Nicht so schnell! Ich muß mir vorher erst ein Dutzend Küsse nehmen!“
    „So machen Sie schnell“, antwortete sie, indem sie ihm den Mund entgegenhielt.
    „Oh, das genügt noch nicht! Ich will zu den Küssen auch noch das Versprechen, dich heute abend ungestört wiedersehen zu dürfen.“
    „Das ist unbescheiden, Herr Baron.“
    „Die Liebe ist niemals bescheiden! Wäre sie es, so wäre sie ja keine Liebe zu nennen. Also bitte, bitte, liebe Ella!“
    Er zog ihr Gesicht zu sich herab, bohrte seinen flammenden Blick tief in ihre Augen, küßte sie glühend viele, viele Male und sah sie dann erwartungsvoll an.
    Sie tat, als ob sie dieser Zärtlichkeit nachgeben müsse.
    „Wo?“ fragte sie.
    „Im Garten.“
    „Und wann?“
    „Wenn alles zur Ruhe ist! Das wird ungefähr um Mitternacht sein. Wirst du kommen, mein liebes, reizendes Mädchen?“
    Sie schüttelte zögernd den Kopf und antwortete:
    „Ich möchte wohl, denn mein Herz treibt mich dazu; aber –“
    „Dein Herz treibt dich dazu?“ fiel er ihr schnell in die Rede. „Ist das wahr? Du liebst mich also, Ella?“
    Es gelang ihr, wie in mädchenhafter Scham zu erröten. Dann antwortete sie, die Hand unter einem tiefen Seufzer an ihr Herz legend:
    „Fast glaube ich es, Herr Baron. Und das
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