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57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris

57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris

Titel: 57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
Autoren: Karl May
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Gesuchte.“
    „Und die Briefe?“
    „Ich werde sie einmal vorlesen.“
    Er las die in französischer Sprache abgefaßten Zeilen laut vor. Deutsch würden sie gelautet haben:
    „Mein bester, mein teuerster Gaston!
    Wenn Du von der Reise zurückkehrst, findest Du wohl diesen Brief, nicht aber Deine Amély, Deinen süßen Kolibri, vor. Mein Herz bricht, indem ich dieses schreibe; aber ich kann, ich darf nicht anders. Du hast mich geliebt, und ich fand den Himmel in Deinen Armen. Deine Liebe zu mir hat Dich von dem Vater getrennt, welcher unserer Verbindung fluchte. Du hast mir alles, alles geopfert, mir, dem armen, fremden, bürgerlichen Mädchen. Jetzt ist die Leidenschaft verschwunden, und Du beginnst zu denken und zu rechnen. Ich beobachte Dich im stillen und sehe, daß ich Dir nicht mehr alles bin.
    Gott ist mein Zeuge, daß mein Leben nur Dir allein gehört! Indem ich von Dir scheide, gebe ich mir den Tod, denn ich kann ohne Dich nicht sein. Aber ich gebe Dich frei; ich gebe Dich Deinem Stand, Deinem Beruf, Deiner Ehre und Deinem Vater zurück. Ich lege meine, von dem Notar kontrasignierte Einwilligung zur Scheidung bei.
    Meine Hand zittert, mein Herz erbebt und meine Augen stehen voller Tränen. Ich nehme nichts, gar nichts mit, als meine Kinder, meine süße Nanon und meine herzige Madelon. Du hast sie mir geschenkt, und sie sind mein Eigentum. Forsche nicht nach uns, denn Du würdest uns doch nicht finden.
    Dein Kolibri entweicht. Sein Gefieder wird den Glanz verlieren und sein Flug wird sich bald zum Grab senken. Aber noch im Sterben werde ich dem heißen Wunsch meinen letzten Atem widmen: Sei glücklich, glücklich, glücklich.
    Dein Weib, Deine Amély, Dein armer, unschuldiger Kolibri.“
    Es war gar nicht zu beschreiben, welchen Eindruck dieser Brief auf Haller machte. Seine Augen waren weit geöffnet, als wollte er den Vorleser mit ihren Blicken verschlingen.
    „Das steht da, wirklich da?“ fragte er.
    „Natürlich!“
    „Die Schreiberin heißt wirklich Amély?“
    „Hm! Warum sollte sie einen anderen Namen nennen? Ich kann natürlich nicht garantieren, ob sie ein Pseudonym gewählt hat oder nicht.“
    „Und der, an den sie schreibt, also ihr Mann, heißt Gaston?“
    „Ja. So wenigstens steht es hier.“
    „Zeigen Sie her! Ich muß völlige Gewißheit haben!“
    Er riß dem Dicken den Brief aus der Hand, um ihn selbst zu lesen. Als er zu Ende war, rief er:
    „Seltsam, seltsam! Ja geradezu wunderbar!“
    „Was denn?“ fragte Schneffke, indem er verwundert zu ihm aufblickte.
    „Diese Namen! Der Kosename Kolibri!“
    „Ich will doch nicht befürchten, daß auch Sie in diese verteufelte Kolibrimanie verfallen!“
    „Nein. Ganz gewiß nicht.“
    „Na, es will mir aber ganz so vorkommen. Was haben denn gerade Sie mit diesem Gaston, dieser Amély und dem Kosenamen, wie Sie es nennen, zu tun?“
    „Das werde ich Ihnen schon noch mitteilen. Jetzt aber bitte ich, auch den zweiten Brief zu lesen.“
    „Hm! Jetzt eben fällt mir ein: Sind wir nicht im Begriff, eine ganz unverzeihliche Indiskretion zu begehen?“
    „Ach was, Indiskretion! Wo es sich um so viel handelt, gibt es keine Rücksicht!“
    „So? Und um was handelt es sich denn?“
    „Um – nun, um etwas, wofür sich meine Gesellschafterin im höchsten Grad interessieren wird.“
    „Träumen Sie etwa fort? Ihre Gesellschafterin mag sich für Sie interessieren! Alles andere ist überflüssig. Ich habe zwar vorhin Tinte gesoffen, aber von einem Kolibri lasse ich mich trotzdem nicht aus der Fassung bringen.“
    „Ich habe meine Fassung vollständig; aber Sie werden sie mir rauben, wenn Sie sich noch länger weigern, auch den anderen Brief zu lesen!“
    Der Dicke warf einen besorgten Blick auf den Kollegen, schüttelte den Kopf und sagte dann:
    „Eigentlich sollte ich es wohl nicht tun, aber wir sind ja Kameraden und Leidensgefährten. Wir haben in Tharandts ‚Heiligen Hallen‘ zusammen die berühmte Rutschpartie unternommen, so wollen wir auch hier Hand in Hand gehen. Also hören Sie!“
    Er las folgende Zeilen vor:
    „Dem Herrn Baron de Bas-Montagne.
    Herr Baron.
    Ihr Unterhändler ist bei mir gewesen. Sie sind ein harter, ein grausamer Mann. Ihre Forderungen zerreißen mit das Leben. Aber ich bin ein Weib; ich habe ein Herz; ich habe zwei Kinder. Ich fühle, was es heißen mag, ein Kind verlieren, einen Sohn aufgeben zu müssen. Es war nie meine Absicht, Ihnen Gastons Herz zu rauben; Sie haben es von sich gestoßen. Aber Sie haben
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