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57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris

57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris

Titel: 57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
Autoren: Karl May
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gefragt?“
    „Ein einziges Mal, aber ich habe es nicht wieder getan. Er wurde toll; er schäumte fast vor Wut. Er warf mich hinaus wie Pudding, und ich durfte mich lange Zeit nicht wieder sehen lassen. Jetzt aber sind wir ausgesöhnt; er scheint es vollständig vergessen zu haben. Außer dieser Marotte hat er noch zwei. Er zeichnet nämlich Köpfe.“
    „Das nennen Sie eine Marotte?“
    „Ja, wie er es tut, ist es eine, vielleicht gar eine Manomanie. Er ist nämlich kein Zeichner; er hat nicht das mindeste Geschick, den Stift oder die Kreide zu führen, und dennoch zeichnet er ohne Unterlaß.“
    „Zu welchem Zweck denn?“
    „Das will er jedenfalls nicht wissen lassen; aber er hat es mir einmal doch selbst verraten. Während er nämlich zeichnet, spricht er mit sich selbst. Einst war ich bei ihm, um in den alten Büchern herumzustöbern. Er zeichnete und schien dabei vergessen zu haben, daß ich anwesend war. Ich belauschte sein Selbstgespräch. Er hat einen Sohn, der ihm abhanden gekommen ist, oder der ihn verlassen hat. Nun will er einen Aufruf erlassen, um ihn wiederzufinden, und diesem Aufruf soll das Porträt des Verschollenen beigefügt werden.“
    „Er selbst will dieses Porträt fertig bringen?“
    „Ja. Er zeichnet einen Kopf nach dem anderen, bis er einen fertig bringt, der dem Sohn ähnlich ist.“
    „Diese Mühe wird vergeblich sein, wenn er nicht selbst ein Künstler ist.“
    „Natürlich! Ich halte es für Manomanie, für Verrücktheit. Und die dritte Marotte, welche er hat, ist ebenso eigentümlich. Er sucht nämlich ohne Unterlaß in seinen Büchern nach einer Schrift, welche er in einem Buch aufbewahrt haben will. Ich habe tagelang mit ihm in den alten Büchern herumgeblättert, aber nichts gefunden.“
    „Was für eine Schrift ist es?“
    „Er nennt es ein Dokument du divorce, also ein Ehescheidungsdokument.“
    „Was? Sie sprechen französisch?“
    „Sogar ziemlich gut, wie ich Ihnen bald beweisen könnte. Aber da stehe ich und faulenze, während der Alte die Bilder bereits am Mittage wieder haben will. Sie erlauben, daß ich weiter wasche, während wir uns unterhalten.“
    Er setzte sich wieder auf die Diele nieder, spreizte die Beine auseinander und begann von neuem, mit dem Schwamm zu hantieren.
    „Hier, dieser Kragenkolibri ist verteufelt schmutzig geworden“, sagte er. „Ich reibe beinahe die Farbe ab, und – ah, was ist das? Die Leinwand ist ja doppelt! Und dazwischen scheint etwas zu stecken.“
    Er untersuchte das Bild und sagte dann:
    „Es ist wirklich so. Doppelte Leinwand. Sollte –? Hm! Ich werde diesen schmutzigen Kragenkolibri einmal aus dem Rahmen nehmen.“
    Er bog die an der hinteren Seite des Bildes angebrachten Stifte zurück und nahm das Bild aus dem Rahmen. Beide, er sowohl wie auch Haller, stießen einen Ruf der Überraschung aus. Der Rahmen enthielt zwei Bilder. Unter dem Kolibri steckte ein zweites Gemälde, und zwischen beiden hatten sich einige Papiere eingefunden. Der Dicke warf den Kolibri beiseite und hielt das andere Bild gegen das Licht.
    „Ein Porträt“, sagte er. „Das Porträt einer Dame, jedenfalls einer jungen Frau.“
    Haller war hinzugetreten und betrachtete den feinen Kopf mit den wunderlieblichen Gesichtszügen.
    „Ein Meisterstück“, bemerkte er.
    „Ja, ein Meisterstück des Malers, aber auch ein Meisterstück der Schöpfung. Das Original muß geradezu bezaubernd gewesen sein. Nicht?“
    „Gewiß! Aber geradezu auffallend ist diese Ähnlichkeit.“
    „Eine Ähnlichkeit? Mit wem?“
    „Mit der – ja, richtig; es ist kein Irrtum möglich. Mit der Gesellschafterin, die ich kenne.“
    „Von der Sie geträumt haben?“
    „Ja, Fräulein Madelon.“
    „So! Hm! Madelon heißt sie also? Sie Glücklicher! Sie wissen den Namen. Von meiner Gouvernante weiß ich kein Sterbenswörtchen. Aber ich muß erfahren, wer sie ist, und sollte ich Stralsund vom Himmel herunterreißen wie einen Pudding vom Präsentierteller.“
    „Und was sind das hier für Papiere, welche zwischen den Bildern gesteckt haben?“
    „Wollen sehen.“
    Er schlug die zusammengefalteten Blätter auseinander und begann den Inhalt zu mustern.
    „Französisch!“ sagte er. „Zwei Briefe und ein Dokument.“
    „Wirklich? Sollte es vielleicht gar das viel gesuchte Dokument du divorce sein?“
    Schneffke las es durch und sagte dann:
    „Wirklich! In diesen Zeilen willigt eine Baronin Amély de Bas-Montagne in aller Form in die Scheidung von ihrem Mann. Es ist das
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