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5 Tage im Sommer

5 Tage im Sommer

Titel: 5 Tage im Sommer
Autoren: Kate Pepper
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sie sich schließlich abwandte, um nicht länger ihre Zeit zu verschwenden, sagte er schroff: »Das wär’s. Ich bin fertig.«
    Er blickte auf und starrte ihre Brüste an. In diesem Moment bereute sie ihre tapfere Entscheidung, auf einen BH zu verzichten. Dann senkte der Mann den Blick, berührte drei weitere Maiskolben, legte die Tüte in den Einkaufswagen und schlurfte davon. Zu Hause in Manhattan hätte sie mit einem gleichgesinnten Käufer einen wissenden Blick ausgetauscht und »So was gibt’s eben nur in New York« gemurmelt. Aber hier auf dem Cape, in diesem etwas außerhalb gelegenen überfüllten Supermarkt kam sie sich allein vor. Dieser Mann war höchst sonderbar.
    Emily musste mindestens ein Dutzend Maiskolben in die Hand nehmen, bis sie endlich sechs gute gefunden hatte, und dann war der seltsame Mann zu ihrer Erleichterung nicht mehr zu sehen. Sie machte sich daran, ihren Einkaufszettel abzuarbeiten. Thunfisch und Erdnussbutter für die Sandwiches für die morgige Heimfahrt. Cracker, damit Maxi ihr Knabbervergnügen hatte. Diese grässlichen Fruchtgummis, die die Jungen so gern mochten. Kartons mit Fruchtsaft. Kleine Wasserflaschen. Eine Extradose mit Sarahs Tee, für den Fall, dass ihr Vorrat zur Neige ging.
    Emily steuerte gerade den Gang mit Brot an, um die Lieblingssorte ihrer Mutter zu suchen, als sie den Maismann wieder sah. Langsam schob er seinen Wagen voran, den Blick starr nach vorn gerichtet. Sie überholte ihn zügig, unsicher, ob er sie bemerkt hatte. Am Ende des Ganges fand sie das gewünschte Brot und war unverhältnismäßig erleichtert.
    »Haben Sie nicht bemerkt, dass es weg war?«
    Eine ältere Frau mit blond gebleichtem Haar und zu viel Make-up stand neben Emily und hielt ihr das silberne Armband entgegen.
    »Mir ist es vorhin bei Ihnen aufgefallen, weil ich auch so eins habe.« Die Frau hob ihr Handgelenk, um ihr eigenes Armband zu zeigen, an dem doppelt so viele Glücksanhänger baumelten wie an Emilys, alle aus Gold. »Es ist direkt in den Maisbehälter hineingerutscht. Da haben Sie aber Glück gehabt, dass ich gleich nach Ihnen kam. Ich bin Ihnen extra gefolgt.«
    Emily nahm ihr Armband samt Anhängern – ein Schwimmer, ein Cello, ein Schwert, ein Herz, drei Babys und eine Münze – und schloss die Hand darum. Sie genoss das Gefühl des kühlen Silbers auf der Innenfläche ihrer Hand. Nach Davids Geburt hatte sie das Armband von Will geschenkt bekommen und es seither jeden Tag getragen.
    »Ich verstehe gar nicht, wie mir das passieren konnte«, sagte Emily. »Ich habe nicht mal gemerkt, dass es weg war.«
    »Ich hüte meins wie meinen Augapfel«, sagte die Frau.
    »Wie viele Kinder haben Sie denn?« Emily war aufgefallen, dass die meisten der goldenen Anhänger Babys waren.
    »Vier Kinder, neun Enkelkinder. Und noch kein Ende abzusehen.« Die Frau zwinkerte ihr zu. »Lassen Sie es reparieren, bevor Sie es wieder tragen.«
    »Bestimmt.« Emily ließ das Armband in die Tasche ihrer Shorts gleiten. »Ich habe es immer wieder verschoben, den Verschluss reparieren zu lassen. Das war jetzt ein Alarmsignal.«
    »Ich sag immer, das Leben ist eine Kette von Alarmsignalen.«
    »Da haben Sie Recht.«
    Die beiden verabschiedeten sich, und Emily sagte sich, dass sie sich deshalb vorher so seltsam gefühlt hatte. Es hatte nicht an dem Maismann gelegen. Sie hatte ihr Lieblingsarmband verloren, das sie niemals abnahm, und sie hatte es nicht bemerkt, zumindest nicht bewusst. Beeindruckend, wie der Verstand unterschwellig Dinge registrierte, die einem selbst erst später bewusst wurden.
    Ihr Einkaufswagen war voll, und es wurde Zeit, zum Feinkosttresen zurückzukehren, um die Bestellung abzuholen. Sie bahnte sich den Weg und staunte über die Warenvielfalt, die in diesen Megastores auf dem Land angeboten wurde. Wegen der Raumknappheit hatten die Läden in der Großstadt nichts auch nur annähernd Entsprechendes zu bieten. Sie blieb bei einer Tonne stehen, die mit rosa, gelben und blauen Plastikbechern gefüllt war. Ein Schild erklärte, dass es sich um »Zauberbecher« handele, die ihre Farbe änderten, wenn kalte Getränke eingefüllt würden. Sie wusste, dass die Kinder davon begeistert sein würden und kaufte von jeder Farbe zwei.
    Emily hatte den Feinkosttresen fast erreicht, als sie ihn wieder sah. Der Maismann stand wieder vor dem Mais. In dem Moment, als sie ihn bemerkte, hob er den Kopf und erblickte sie. Schnell schaute er weg und berührte drei weitere Kolben. Emily las die Nummer
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