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5 Tage im Sommer

5 Tage im Sommer

Titel: 5 Tage im Sommer
Autoren: Kate Pepper
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mit den Kindern, ohne dass sie ihm über die Schulter sah, und sie kam mal heraus und wurde für dieses Vergnügen auch noch bezahlt.
    Emily erreichte den erfrischend kühlen Schatten der Veranda. Es war einfacher, das Haus durch die Hintertür im Parterre zu betreten. Sie atmete den süßlichen Geruch des Geißblatts ein, das Sarah so gezogen hatte, dass es die Veranda emporrankte. Der Garten, den ihre Mutter angelegt hatte, war grandios, und in welche Richtung man auch blickte, überall stand etwas in Blüte. In diesem Sommer jedoch hatte Sarah den Garten etwas vernachlässigt. Der Tod ihres Mannes Jonah lastete schwer auf ihr, auch Emily vermisste ihren Vater sehr. Das Unkraut, der aufgeschossene Salat, die zu hohen Gräser und verwelkten Blüten, all das beschwor ihn herauf.
    Spielsachen lagen verstreut im Wohnzimmer auf dem Boden herum. Emily bahnte sich mit Fußtritten einen Weg und betrat ihr Zimmer, das seit den Sommern ihrer Kindheit zum Gästequartier umgewandelt worden war. All die hübschen Farben hatten einem neutralen Anstrich weichen müssen, die Poster aus ihrer Jugendzeit waren von den Wänden verschwunden. Über dem Bett hing eins der Gemälde, die Sarah von Emily gemalt hatte. Es zeigte sie als kleines Mädchen an der Hand ihres Vaters, der vom Rahmenrand her ins Bild trat. Zwischen den Fenstern hingen zwei gerahmte Fotos: Emily auf der Bühne der Carnegie Hall und Jonah neben seinem ersten Oldtimer.
    Emily öffnete die untere Kommodenschublade und erinnerte sich, dass sie bei der großen Wäsche war. Die meisten Kleidungsstücke befanden sich oben in der Kammer neben der Küche, drehten sich in der Maschine oder warteten gestapelt auf dem Fußboden. Sie stieg aus ihrem Badeanzug und zog dieselben Unterhosen und Khakishorts an, die sie schon zum Mittagessen getragen hatte. Dann hielt sie sich ihr blaues Hemd vor die Brust und ging nach oben in die Kammer, um in den Wäschestapeln nach einem BH zu suchen. Anscheinend waren all ihre BHs mit der Weißwäsche in der Maschine gelandet, die sich gegenwärtig durch den Hauptwaschgang quälte. Also schön, sie würde alle Vorsicht in den Wind schlagen und ohne BH gehen; wenn jemand unbedingt hinschauen musste, war es eben sein Problem. Sie schlüpfte in ihre Ledersandalen und vergaß auch ihre Sonnenbrille nicht, bevor sie zur Tür hinausging.
    Es war Labor Day, und auf der gesamten Route 151 herrschte dichter Verkehr bis zum Stop & Shop . Als sie das Einkaufszentrum endlich erreichte, hatte sich das Gefühl des willkommenen Ausbruchs in der Hitze vollständig verflüchtigt. Sie würde den Einkauf so schnell wie möglich hinter sich bringen und nach Hause fahren. Vorsichtig lenkte sie ihren weißen Volvo Kombi durch die Reihen der parkenden Autos, bis sie in der äußersten Ecke einen Platz fand. Anscheinend hatten alle anderen die Wolken in der Ferne ebenfalls gesehen und sich auf den Weg gemacht, um dem Regen zuvorzukommen. Im Augenblick jedoch konnte sie keine Wolke mehr sehen, der Himmel war blau.
    Im Laden machte sie ihre übliche Runde und ging zunächst in die Feinkostabteilung. Dort gab es einen neuen Computer, der den Einkauf erleichterte: Statt sich in einer langen Schlange anzustellen, tippte man einfach seine Bestellung ein. Sie würde von dem Aufschnitt und dem Schnittkäse, den ihre Mutter so gerne mochte, so viel kaufen, dass diese bis zum Ende der Woche damit auskommen würde. Sarah blieb stets bis Ende September auf dem Cape, bevor sie in ihre eigene Wohnung in Manhattan zurückkehrte, und Emily hatte sie gedrängt, bei dieser Gewohnheit zu bleiben, obwohl Jonah nicht mehr da war. Der Computer der Feinkostabteilung spuckte einen Bon aus, auf dem stand, dass Emily ihre Sachen in zwanzig Minuten an der Ausgabestelle abholen konnte.
    Als sie den Gang mit Gemüse erreichte, entschied sie sich spontan, beim Abendessen Mais zum gegrillten Lachs zu machen. Sie blieb bei dem Behälter mit frischen Maiskolben stehen, wo ein Mann damit beschäftigt war, seine Kolben mit großer Sorgfalt auszuwählen. Er tastete jeden einzelnen ab, als würde er ein Ritual vollziehen. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Der Mann schien in den Fünfzigern zu sein und hatte teigig graue Haut, die zu seinem weißen Haar passte. Eine marineblaue Matrosenmütze saß schief auf seinem Kopf. Er hatte eine weiße Windjacke an und war damit außer den Angestellten in der Fleischabteilung der Einzige im ganzen Geschäft, der an diesem heißen Sommertag eine Jacke trug. Als
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