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5 Tage im Sommer

5 Tage im Sommer

Titel: 5 Tage im Sommer
Autoren: Kate Pepper
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Will streckte den Arm aus, um sie fester an die Mauer zu drücken. Schon seit Monaten hatte er sich vorgenommen, die Bilder seiner Kinder mit neuem Klebeband zu befestigen, aber in der Hektik des Alltags war er nie dazu gekommen. Jetzt holte er das Klebeband hervor und machte sich an die Arbeit: Fabelwesen und Aliens von Sam, Escherähnliche Transformationen von Fischen in Ninjas und Ähnliches von David; Maxis Kritzeleien und schließlich Wills liebevolle Karikaturen der Kinder. Alle Bilder hingen in Augenhöhe, damit sie beim Essen ihren Spaß daran hatten. Er war gerade bei der letzten Zeichnung, als das Telefon klingelte. Ziemlich spät für einen Anruf.
    Will griff nach dem schwarzen Funktelefon, das auf der Anrichte lag. Das Display zeigte ihm, dass der Anruf von Sarahs Anschluss kam. Wahrscheinlich Emily, die ihm eine gute Nacht wünschen wollte.
    »Du würdest stolz auf mich sein«, begrüßte er sie.
    »Will?« Es war nicht Emily. »Will, hier ist Sarah. Ich versuche schon seit Stunden, dich zu erreichen.«
    »Ich bin gerade erst nach Hause gekommen und habe den Anrufbeantworter noch nicht abgehört. Weshalb bist du denn noch auf?« Normalerweise ging sie um halb zehn schlafen.
    »Du solltest mir eine Nummer geben, damit ich dich bei der Arbeit erreichen kann. Hast du nicht auch ein Handy? Ich müsste alle eure Nummern haben. Ich müsste eine Liste mit sämtlichen Nummern haben, unter denen ich euch beide erreichen kann.«
    So angespannt und verwirrt hatte sich seine Schwiegermutter zuletzt nach Jonahs Tod angehört, als sie sich an Nichtigkeiten festgehalten hatte, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren.
    »Emily hat alle meine Nummern.«
    Schweigen.
    »Sarah?«
    »Ich weiß nicht, wo sie ist.«
    Das Wasser begann zu kochen. Der Topfdeckel vibrierte. Heißes Öl spritzte aus der Pfanne, in der die Zwiebeln langsam anbrannten.
    »Was soll das heißen?«
    »Ich weiß nicht, wo sie ist.«
    »Wann ist sie denn vom Einkaufen zurückgekommen?«
    Er hörte Sarahs Atem. »Gar nicht.«
    »Aber ich habe doch mit ihr gesprochen. Ich habe sie auf dem Handy angerufen, und sie stand auf dem Parkplatz. Sie hat gesagt, sie sei auf dem Heimweg.«
    »Du hast mit ihr gesprochen? Erinnerst du dich, wann das war? Die Polizei …«
    »Du hast die Polizei angerufen?«
    »Meinst du nicht, dass das richtig war?«
    Natürlich war es richtig. Ihm leuchtete nur nicht ein, warum Emily nicht nach Hause gekommen war. Emily kam immer nach Hause, und wenn nicht, dann wusste er stets ganz genau, wo sie war. Sie hatte nichts zu verbergen, und sie mochte keine Geheimnisse.
    Wenn sie nicht zu Hause war, musste sie irgendwo sein.
    »Ich ruf ihr Handy an«, sagte er.
    »Das habe ich schon den ganzen Abend lang versucht, Will. Sie geht nicht dran. Es kommt immer nur die Mailbox.«
    »Was hast du der Polizei gesagt?«
    »Dass sie zum Stop & Shop gefahren ist. Dass sie normalerweise nach zwei Stunden wieder zu Hause ist. Und dass sie immer anruft, wenn es später wird.«
    Wills Körper bewegte sich mechanisch zum Kühlschrank und löste den blauen Marker von der magnetischen Pinnwand.
    »Mit wem hast du bei der Polizei gesprochen?«
    »Detective Al Snow. Ich habe seine Nummer.«
    Will schrieb Namen und Nummer auf die Tafel, unter seine übertrieben große Notiz MITTWOCH, 15.00, MADISON SQUARE CAFÉ und Emilys Vals Party Anfang Nov . planen . Daneben waren noch Reste einer Zeichnung, die er von seinen drei Kindern gemacht hatte: Unten stand David auf einem Bein und mit ausgebreiteten Armen, um sein Gleichgewichtsvermögen zu demonstrieren; auf ihm saß Sam, Sprechblasen blubbernd; und ganz oben kam schließlich Maxi, die sich mit einer Hand an Sams Haare klammerte und in der anderen Hand ihren Teddybär schwenkte.
    »Wissen die Kinder es schon?« Will bemerkte, dass seine Stimme gefasst klang, und erinnerte sich an den Augenblick, als er vom Unfall seiner Eltern erfahren hatte. Er hatte gerade vor dem Haus Basketball gespielt und war quer über den kurz geschnittenen Rasen gerannt, den sein Vater am selben Morgen noch gemäht hatte. Am Ende des Vorgartens war er Mrs. Simon von nebenan in die Arme gelaufen. Sie weinte. Die Polizei hatte sie angerufen.
    »Ich habe vor den Kindern so getan, als würde ich mit Emily telefonieren«, sagte Sarah. »Ich wusste nicht, was ich machen sollte.«
    »Richtig. Sag ihnen nichts. Wahrscheinlich ist ja gar nichts vorgefallen. Sie wird bestimmt zur Tür hereinkommen, sobald wir aufgelegt haben. Aber für
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