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5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)

5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)

Titel: 5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)
Autoren: Bronnie Ware
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Bestattungsinstitut.
    Erin und ich saßen in der Küche, bis Ruths Leiche gegen Sonnenaufgang abgeholt wurde. In diesen Stunden gingen wir beide ab und zu noch einmal zu Ruth– als würden wir einem inneren Impuls gehorchen, uns immer noch um ihren Körper zu sorgen, obwohl sie ihn bereits verlassen hatte. Außerdem gefiel es mir nicht, dass sie so allein dort lag. Diese seltsame, dunkle Zeit war einerseits etwas Besonderes, aber in dieser Nacht nach ihrem Tod lag auch eine spürbare Leere über dem Haus.
    Am nächsten Tag bot man mir an, Ruths Haus zu hüten. Heather meinte, es würde Monate dauern, bis es sich verkaufen ließ, und die Familie würde sich sicherer fühlen, wenn es nicht leer stand, sondern in der Zwischenzeit bewohnt blieb. So blieb ich noch eine Weile in Ruths Haus, was in meiner Situation ein echter Segen für mich war. Außerdem tat es mir gut, an einem Ort zu leben, der mir einigermaßen vertraut war.
    Allerdings war mir eines klar geworden: Eine 24-Stunden-Betreuung, bei der man mit dem Patienten im gleichen Haus lebt, erschöpft einen zu sehr. Bei meinen zukünftigen Patienten würde ich jede Nacht nach Hause gehen, sonst kam ich zu gar nichts anderem mehr. Diese Art von Pflege verlangte mir wesentlich mehr ab, als einfach nur einem Menschen Gesellschaft zu leisten.
    In den nächsten Monaten half ich Heather, Ruths Habseligkeiten anderweitig unterzubringen. Ihre materielle Umgebung wurde Stück für Stück aufgelöst, wie es jedem einmal passieren wird. Ich hatte so lange nomadisch gelebt, dass ich immer noch eine Abneigung dagegen hegte, zu viel zu besitzen. Daher lehnte ich viele Dinge ab, die Heather mir netterweise anbot. Es waren ja doch nur Sachen, und auch wenn sie meiner Freundin Ruth gehört hatten, wusste ich, dass ihre Erinnerung am besten in meinem Herzen bewahrt bleiben würde, und so ist es auch.
    Allerdings verliebte ich mich in ein paar alte Lampen, die ich bis heute noch habe. Ruths Haus wurde von den neuen Besitzern abgerissen und durch einen modernen Betonbau ersetzt. Der alte Frangipani-Baum, dessen Sommerduft jahrzehntelang das Haus durchdrungen hatte, wurde im Bruchteil einer Sekunde plattgemacht und durch einen Pool ersetzt. Ich bekam eine Einladung zur Housewarming-Party im neuen Haus.
    Den Leuten, die Ruths Heim gekauft hatten, hatten die Spinnen und ihre Netze im Garten gar nicht zugesagt. Ruth und ich hatten immer im Wintergarten gesessen und zugesehen, wie die Radnetzspinne ihr Netz webte, das so stabil ist, dass man es anheben kann, um darunter hindurchzugehen. Ein Wunderwerk, das wir geliebt und geteilt hatten. Als ich neben dem Pool stand und die ganzen neuen, modischen Pflanzen betrachtete, die einen alten, über Jahre hinweg liebevoll kultivierten Garten ersetzt hatten, freute ich mich, eine Radnetzspinne zu entdecken, die ihr Netz hoch über einer der neuen Pflanzen webte.
    Lächelnd sandte ich Ruth meine ganze Liebe und wusste, dass sie mich auf ihre Art an diesem Tag dort besuchte. Ihr Haus mochte fort sein, aber ihr Geist war noch bei mir. Ich dankte dem neuen Besitzer für die Einladung, plauderte ein wenig und ging dann hinunter zum Hafen. Dort suchte ich den Platz auf, an den ich mich gesetzt hatte, als ich von Ruths unheilbarer Krankheit erfahren hatte. Ich war dankbar für alles, was wir geteilt hatten und was ich aus dieser Freundschaft gelernt hatte.
    An jenem Sommertag musste ich lächeln, als mir klar wurde, wie viel mehr ich bekommen hatte, viel mehr als einfach nur eine mietfreie Unterkunft. Und indem sie meinen Blick auf diese Radnetzspinne lenkte, hatte Ruth zurückgelächelt.

Das Glück des Loslassens
    Nach Ruths Tod arbeitete ich hie und da eine Schicht als Pflegerin, und bei der Ablöse lernte ich andere Pflegerinnen kennen. Diese wenigen Minuten waren die einzige Zeit, in der man Kontakt mit Kollegen hatte. Während der langen Zwölf-Stunden-Schichten gab es kein Geplänkel oder Gelächter im Team, man sah sich ja immer nur zur Übergabe. Der Patient, seine Familie und das medizinische Personal, das während meiner Schicht vorbeikam, waren die einzigen Kontakte.
    Das machte die Beziehungen zu den Patienten noch persönlicher. Außerdem gab es mir Zeit, gelegentlich zu lesen, zuschreiben, meine Meditationssitzungen fortzusetzen oder ein bisschen Yoga zu machen. Viele Pflegerinnen wurden wahnsinnig, weil sie so viel Zeit allein verbringen mussten, und es war nichts Ungewöhnliches, morgens irgendwo anzukommen und schon vor dem Frühstück
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