49 Stunden
das die Adresse von hier?‹‹, fragte Katie.
›› Klar, Mann, von wo denn sonst? Hast du`s jetzt alles kapiert? Ich muss los in die Schule, der Schulbus kommt gleich. Ich will die PSP so bald wie möglich haben, verstanden? Damit ich endlich meine eigene hab und nicht immer mit Tamara und Kenny darum streiten muss.‹‹
Katie konnte ihn gut verstehen. Sie hatte noch nie etwas teilen müssen, hatte ein ganzes Zimmer voller Spielsachen nur für sich allein. Sie vermisste ihr rosa Prinzessinnenzimmer sehr. Hoffentlich würde sie heute Abend endlich wieder in ihrem eigenen Bett in ihrem eigenen Zimmer schlafen dürfen, mit Penny und dem Beluga im Arm. Er hatte noch immer keinen Namen, sie hatte sich vorgenommen, ihm erst einen zu geben, wenn sie wieder zuhause war. Mommy würde ihr dabei helfen, einen auszusuchen. Oder Susi. Susi war gut in so was, sie war auch auf den Namen ››Penny‹‹ für ihre Puppe gekommen.
Josh nickte zufrieden und verließ dann den Raum. Katie steckte den Zettel mit der Adresse in ihre Hosentasche. Sie trug noch immer die Shorts vom Samstag und auch das Seepferdchen-T-Shirt, obwohl beides bereits ganz schmutzig war.
Wenn ich nach Hause komme, werde ich mein rosa Dornröschen-Kleid anziehen, beschloss sie und hoffte, dass das ganz bald sein würde.
***
Dillon Bradley stand am Anklagepult und blickte auf Mary, die den Gerichtssaal betrat und sich ans Richterpult setzte.
Sie sah ihn ebenfalls und blickte ihm kurz in die Augen, sah dann aber schnell weg.
Heute wirkte Mary überhaupt nicht wie eine Richterin, eher wie ein ängstliches kleines Reh. Konnte nur er das erkennen, weil er sie so gut kannte, oder nahmen auch die anderen Anwesenden diese Unsicherheit wahr?
Was auch immer Harry Castellos Leute ihr angetan hatten, es war offensichtlich, dass sie sie in der Hand hatten.
Castello, in Handschellen, stand am Nebentisch, auf der Seite der Verteidigung. Sein unseriös aussehender Anwalt stand neben ihm.
Sie wurden aufgefordert, sich zu setzen und taten es. Dillon entging nicht das Grinsen, das Castello auf den Lippen hatte, als er Mary erblickte.
Dillon saß zwischen den Stühlen, wusste nicht, was in dieser Situation richtig und was falsch war, wusste nicht, wie er an Marys Stelle gehandelt hätte.
Er war in seinen Jahren als Staatsanwalt auch das ein oder andere Mal bedroht worden, aber ihn hatte das kalt gelassen – es war ja kein Kind im Spiel gewesen.
Wie würde Mary sich entscheiden? Würde sie tatsächlich Harry Castello gehen lassen? Sollte sie das tun, wäre Dillon sich zu hundert Prozent sicher, dass Castello Katie hatte. Denn gewissenhaft, wie Mary als Richterin war, hätte sie nie einen Mann, der wegen zweifachen Mordes angeklagt wurde und bei dem dringende Fluchtgefahr bestand, auf Kaution raus gelassen.
Gespannt sah er dem Geschehen zu. Sah ins Publikum, wo Keith in der hintersten Reihe saß. Er hatte ihm versichert, sobald er irgendeinen Beweis für die Entführung von Katie vorweisen konnte, würde er den Fall offiziell aufnehmen. Deshalb war Dillon jetzt auf Susi angewiesen. Er wartete voller Ungeduld auf einen Anruf von ihr.
Carlo Caine war nirgends zu entdecken. Das hatte er sich gedacht. Wie dumm müsste der sein, um hier aufzutauchen?
***
Carlo stand am Fenster gegenüber des Gerichtsgebäudes mit gutem Blick auf das Richterpult. Durch sein Fernglas sah er ganz genau, was da drinnen abging.
Er sah Harry in Handschellen neben seinem Anwalt Buschinski sitzen. Er wusste, im Prozess hätte er mit ihm wieder einmal gute Chancen gehabt, hätte die Geschworenen überzeugen können, dass er aus Notwehr gehandelt hatte, und wäre so einer lebenslangen Haftstrafe entgangen.
Doch Harry Castello wollte es nicht so weit kommen lassen. Er würde am ersten Prozesstag nicht im Gericht erscheinen, denn er würde schon längst untergetaucht sein. Er hatte Harry von der Karibik erzählt, wo er sich vor einiger Zeit eine kleine Insel zugelegt hatte, auf falschem Namen natürlich. Sie würden ihn suchen, aber nicht finden, nicht Harry Castello.
Er würde seiner gerechten Strafe entgehen. Wenn Richterin Walters ihn heute auf Kaution raus ließ. Und das würde sie tun, da war er sich zu fünfundneunzig Prozent sicher.
Er sah auf die Uhr. Es war genau 10:32 Uhr. Die Verhandlung hatte begonnen.
Wenn sie vorbei war und er sich sicher sein konnte, dass sie gut ausgegangen war, würde er Marge anrufen und ihr genaue Anweisungen wegen der Übergabe geben.
Was ihn selbst anging:
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