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49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul

49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul

Titel: 49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
Autoren: Karl May
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bewandert?“
    „Ja. Das ist mein Beruf.“
    „Welcher Sprache gehören die Worte unter diesem Bilde dort an?“
    „Der Sprache der Engländer.“
    „Willst du mir wohl sagen, wie sie klingen und was sie zu bedeuten haben?“
    „Sie werden ausgesprochen ‚Ihglnest‘ und bedeuten soviel wie Adlernest oder Adlerhorst.“
    Der Derwisch fuhr einen Schritt zurück, faßte sich aber schnell und sagte unter einer höflichen Verbeugung:
    „Ich danke dir. Ich bin arm. Allah mag dich bezahlen.“
    Dann schritt er wieder hin, wo er vorhin gestanden hatte, nahm die Jacht scharf in die Augen und murmelte:
    „Adlerhorst! Das ist ja jener verfluchte Name! Ist er denn nicht ausgerottet? Der Mörder war ein Deutscher, dieses Schiff aber kommt aus England. Gibt es auch dort diesen Namen? Ich werde hierbleiben, um zu beobachten. Das Weib jenes Deutschen beschimpfte mich. Mein war die Rache, und Ibrahim Effendi war nur mein Werkzeug. Sollte es noch Angehörige jener Familie geben? Ich werde forschen!“
    Die Maschine des Dampfers hatte gestoppt, und der Kapitän war von der Kommandobrücke gestiegen. Da öffnete sich die Kajütentür, und heraus trat – dieselbe Gestalt, wie sie vorn auf dem Bild zu sehen war, ganz genauso. Sehr lang und hager, war sie in grau und schwarz karierten Stoff gekleidet. Der übermäßig hohe Zylinderhut, der riesige Regenschirm, den sie in der Hand hatte, auch diese beiden waren kariert. An einem über die Achsel gehenden Riemen hing ein unendlich langes Fernrohr, das bereits vor der Sintflut existiert zu haben schien, und aus der linken, äußeren Brusttasche ragten zwei Gegenstände hervor, über die man sich schier zu verwundern hatte, nämlich – ein gewaltiger Streichriemen und ein Rasiermesseretui. In der Rechten hielt dieser höchst ungewöhnliche Mann ein Buch, auf dessen Umschlag in deutscher Sprache der Titel zu lesen war:
    ‚Textbuch. Die Entführung aus dem Serail. Große Oper von Wolfgang Amadeus Mozart.‘
    Auch das Gesicht glich ganz demjenigen auf dem Bild, es war sehr langgezogen, äußerst gutmütig und hatte die erwähnte große Fußzehe anstatt der Nase, und darauf saß eine rundglasige Hornbrille, die den komischen Eindruck um das Doppelte verstärkte.
    Der Kapitän verneigte sich und fragte:
    „Wollen Eure Lordschaft an Land gehen?“
    „Ja. Wohin sonst? Ans Land natürlich! Oder soll ich etwa auf dem Wasser laufen, he, wie?“
    Er hatte das scherzend gesagt und lachte dabei mit dem ganzen Gesicht. Auch der Kapitän lachte und antwortete:
    „Das würde schwerlich möglich sein. Aber warum so schnell an Land gehen? Konstantinopel muß von hier aus betrachtet werden. Von hier aus wirkt es großartig, im Innern aber ist es eng, schmutzig und winkelig. Der Türke nennt seine Hauptstadt ‚Wangenglanz des Weltantlitzes‘, und er hat recht, nämlich von hier aus, wo wir uns befinden.“
    „Wangenglanz? Unsinn! Weltantlitz? Blödsinn! Hat die Welt Wangen oder Backen? Horrende Dummheit! Diese Türken sind Esel. Das einzig Vernünftige an ihnen sind ihre Frauen und Mädchen.“
    Über das Gesicht des Kapitäns ging ein ironisches Zucken. Er verbeugte sich zustimmend und fragte:
    „Haben Eure lordschaftliche Herrlichkeit bereits eine türkische Frau oder ein türkisches Mädchen gesehen?“
    „Ja, natürlich! Zwar nicht hier, aber in Berlin. Famose Oper, die Entführung aus dem Serail von Mozart! Ich gehe nicht eher fort, als bis ich mir so eine aus dem Harem geholt habe. Hier, sehen Sie, Kapitän, da ist das Textbuch dazu! Es fehlen nur noch Frau und Harem. Aber beide sind sehr leicht zu finden, denn Weiber und Harems gibt es hier in Masse. Jetzt adieu!“
    „Wann darf ich Eure Lordschaft erwarten?“
    „Gar nicht. Ich komme, wenn es mir beliebt.“
    Er turnte mit langen Schritten über den schmalen Landungssteg hinüber und gebrauchte dabei den großen, zugeklappten Regenschirm wie ein Seiltänzer seine Balancierstange.
    Als er an dem Derwisch vorüberging und dessen Augen so prüfend auf sich gerichtet sah, spuckte er verächtlich aus und murmelte vor sich hin:
    „Ein Derwisch! Fatales Gesicht! Ominöse Physiognomie! Könnte ihm einen Fußtritt geben, dem Kerl!“
    Der Kapitän hatte ihm lächelnd nachgeblickt. Der Steuermann kam herbei und fragte, auch lächelnd:
    „Spukt die Entführung noch immer?“
    „Natürlich! Er sucht nach einem Harem.“
    „Wird aber wie überflüssiger Dampf abgepfiffen werden.“
    „Gott bewahre! Er schwärmt nur, bis er etwas anderes
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