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49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul

49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul

Titel: 49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
Autoren: Karl May
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findet. Es fällt ihm gar nicht ein, sich die Finger zu verbrennen, aber er ist einmal so, er muß irgendeine abenteuerliche Idee haben. Für uns ist das nur vorteilhaft, und da er außer seinen Schrullen ein enorm reicher und auch seelenguter Herr ist, so bin ich ganz und gern bereit, mit ihm auf unserem kleinen Ding zehnmal rund um den Erdball herumzudampfen. Für so einen Master wagt man schon etwas. Es gibt keinen zweiten!“
    Der, von dem die Rede war, spazierte durch Pera langsamen Schrittes und ganz vergnüglich alles beobachtend, was sich seinen Blicken bot. Daher kam es, daß er sich zuweilen umschaute und den Derwisch bemerkte, der sich stets hinter ihm hielt.
    „Was will der Mensch von mir?“ fragte er sich. „Werde gleich mit ihm fertig sein!“
    Er trat hinter einer Gassenkrümmung in einen Winkel und blieb da stehen. Der Derwisch kam, er hatte den Engländer weit vor sich geglaubt und besaß nicht so viel Selbstbeherrschung wie nötig war, seine Überraschung zu verbergen.
    „Warum läufst du mir nach, Dummkopf?“ schnauzte ihn der Karierte an, natürlich in englischer Sprache.
    Der Derwisch kannte die Bedeutung dieser Worte nicht. Er antwortete türkisch:
    „Agnamaz-im (ich verstehe nicht)!“
    „Agnamaz? Ja, Matz, fliege fort, sonst helfe ich nach!“
    Der Derwisch merkte aus den Gebärden des Engländers, daß er vorwärtsgehen solle. Aber er wollte ihm doch folgen, nicht vor ihm hergehen. Darum blieb er stehen. Da machte der Karierte kurzen Prozeß. Er hielt den riesigen Regenschirm vor sich hin und spannte ihn mit solcher Kraft und Schnelligkeit auf, daß die starken Fischbeinstäbe dem Derwisch in das Gesicht schlugen. Das war eine Beleidigung, zumal von einem Europäer, aber der Derwisch kannte die Macht und den Einfluß des englischen Gesandten, er schritt also weiter und rief dem Briten drohend zu:
    „Köpek, intikamyny alarim (Hund, ich werde mich rächen)!“
    „Was faselt er?“ brummte der Lord vergnügt vor sich hin. „Dieses Türkisch ist doch eine dumme Sprache. Man möchte sie erst lernen, ehe man sie versteht. Die englische Sprache habe ich sogleich verstanden, schon als Kind.“
    Er ging weiter, in ziemlicher Entfernung hinter dem Derwisch. Dann bog er um eine Ecke und abermals um eine und war nun ziemlich sicher, daß er dem Türken nicht wieder begegnen werde.
    Indem er so dahinschritt, hörte er plötzlich Gesang. Die Töne kamen aus einem Haus, an dem er eben vorüber wollte. Er blieb stehen und horchte. Das war keine türkische Musik, das war vielmehr eine abendländische Melodie. Da bemerkte er über der Tür ein Schild und ersah aus der französischen Inschrift derselben, daß er vor einem europäischen Kaffeehause stehe. Er trat ein.
    In dem Hausgang, der nicht viel versprach, war es ganz finster. Es gab da links eine Tür, die er mehr mit der Hand fühlte als sah.
    „Eine hübsche Budike!“ brummte er. „Aber vielleicht gibt es ein Abenteuer.“
    Er öffnete die Tür und fühlte sich angenehm überrascht, als er in ein geräumiges Zimmer trat, in welchem so viele Lampen brannten, daß es taghell erleuchtet war. Fenster aber gab es hier nicht, sondern hoch oben an der Decke nur zahlreiche Öffnungen, durch welche der Tabaksrauch abzog.
    Er sah eine große Anzahl von Gästen. Die einen waren orientalisch gekleidet, die anderen europäisch. Die ersteren saßen tief am Boden auf weichen, niedrigen Kissen, rauchten schweigend ihre Tschibuks oder ihre Wasserpfeifen und hatten auf ganz kleinen Tischchen winzige orientalische Kaffeetassen stehen. Die letzteren aber saßen an hohen Tischen auf Stühlen, tranken den Kaffee aus größeren Tassen und rauchten Zigarren oder Zigaretten.
    Das Erscheinen des seltsam gekleideten Engländers erregte ungemeines Aufsehen. „Müdschüzatly, tschok müdschüzatly (wunderbar, höchst wunderbar)!“ murmelten die erstaunten Türken.
    Auch die Unterhaltung, die an den Tischen der Europäer geführt wurde, stockte augenblicklich. Die Aufmerksamkeit aller richtete sich auf den Lord, und über manches Gesicht flog ein munteres Lächeln, wobei Worte wie „Engländer – verrückt – Spleen – Hanswurst“ leise von Mund zu Mund herüber und hinüberflogen.
    Ihn aber ließ diese Aufmerksamkeit sehr gleichgültig. Er steuerte auf den einzigen Tisch zu, an welchem noch ein Sitz zu finden war, und nahm dort gemütlich Platz, nachdem er den Herrn, welcher da saß, höflich um Erlaubnis gebeten hatte. Denn der Lord gehörte keineswegs zu
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