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47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

Titel: 47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
Autoren: Joan D. Vinge
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Lebensspannen, bis ich Euch finde.« Er wollte, dass sie daran glaubte. So wie in diesem Leben würde er sie in dem Moment, in dem sich ihre Blicke trafen, erkennen, ganz gleich welche neue Form ihre Seele annehmen würde.
    »Und ich werde in allen auf dich warten …« Ihre Stimme brach. Sie umarmte ihn und zog ihn an sich. Sie hielten sich ein letztes Mal mit all der Zärtlichkeit und Leidenschaft, die sie gezwungen waren, zu verleugnen, seit jenem Frühlingstag, an dem ein kleines Mädchen einen Jungen geküsst hatte und weggelaufen war, ohne zu ahnen, dass es für ein ganzes Leben sein würde.

    Der Wind raschelte in den Kirschbäumen und ließ einen Schauer aus Blütenblättern herabregnen, als Oishi seine Männer hinaus auf den Burghof führte, wo siebenundvierzig Matten auf sie warteten. Die siebenundvierzig weißgekleideten Männer nahmen nacheinander mit stoischer Würde ihre Plätze ein. Kai betrat als letzter den Burghof. Sein Gesicht blieb auch dann gefasst, als er Mika auf ihrem Platz neben dem Shogun und seinen Würdenträgen unter den Zuschauern sah. Sie hob sich mit ihrer glänzenden Seidenkleidung wie eine herrliche Blüte von den trist gekleideten Männern des
bakufu
ab, als wolle sie mit ihrem Auftritt trotzig ihren Glauben an die ewige Wiedergeburt des Geistes und an eine bessere Welt, die auf die dem Tod geweihten Männer wartete, unterstreichen.
    Yasuno machte mit einem leichten Kopfnicken Platz, sodass Kai genügend Platz hatte, sich hinzuknien, ohne seine Verletzung offensichtlich werden zu lassen. Kai wandte seinen Blick von der Zuschauertribüne und Mika ab und sah die in Schwarz und Gold gekleideten Wachen, die den Innenhof umringten. Sie sollten für Ordnung in der Menge sorgen, die Zeuge ihrer letzten Momente werden wollte, und als Sekundanten fungieren.
    Der Ort, an dem das Ritual stattfinden sollte, war nicht durch
tobari
abgesperrt. Mika hatte den Bewohnern Akos die Erlaubnis erteilt, diesem beizuwohnen. Das war ungewöhnlich, und die Größe der Menge ließ darauf schließen, dass die Menschen von weither gekommen waren und nicht nur aus der Burgstadt. Trotz ihrer Größe verharrte die Menge in respektvollem Schweigen, als befände sie sich in einem Tempel. Viele trugen das Weiß der Trauernden. Im Innenhof war es so still, dass Kai nur raschelnde Blätter und einen irgendwo singenden Vogel hörte. Das Blau des Himmels war klarer, als er es je gesehen hatte und unendlich …
    Auf Oishis Zeichen knieten die siebenundvierzig Samurai gleichzeitig nieder und legten ihre Todesgedichte auf kleine Tische, die vor ihnen standen und auf denen ein
tantō
bereit lag. Sie verbeugten sich alle gleichzeitig und erwiesen dem Shogun und der Dame Asano ihren letzten Respekt.
    Der Shogun sah von der Zuschauertribüne auf die siebenundvierzig Männer und wurde Zeuge ihrer stolzen, disziplinierten Akzeptanz des Opfers, das sie bereitwillig bringen wollten. Es gab keinen anderen Weg innerhalb der Grenzen des Gesetzes der Menschen – seines Gesetzes. Sie hatten nicht die Freiheit, nur nach ihren eigenen moralischen Vorstellungen von Gerechtigkeit zu handeln, nicht einmal für eine kurze Zeit.
    Er wusste, wie es war, wenn etwas, das stärker war als der Wille der Gesellschaft oder der Angst vor dem Gesetz, an einem zerrte – er war der Shogun, aber selbst er hatte nicht die absolute Freiheit, zu tun und zu lassen, was er wollte.
    Er verstand, warum es immer wieder Individuen geben würde, die von ihrem vorbestimmten Pfad abwichen – auch, wenn der Weg, den sie damit wählten, sie an den Rand des Abgrunds führte. Doch ganz gleich welche Gründe sie dazu bewog, dem Gesetz zu trotzen – ob das Gesetz gerecht war oder nicht – eine Gesellschaft konnte nicht reibungslos funktionieren … das Tokugawa-
bakufu
konnte nicht überleben … wenn er bei derartigem Verhalten Milde walten ließ.
    Und dennoch, wenn er die ehrfürchtigen Mienen der Zuschauer und seiner eigenen Samurai so anschaute, wusste er, dass auch er noch nie etwas wie das hier erlebt hatte. Unabhängig davon, wie unzulänglich oder einfach das Leben dieser Männer vorher gewesen war, aufgrund des Mutes, der Ehrlichkeit und des unerschütterlichen Gerechtigkeitssinns, die sie an den Tag gelegt hatten, hatte er zum ersten Mal das wahre Gesicht des Ideals der Samurai gesehen. Ihm war klar, dass keiner der heute hier Anwesenden das jemals vergessen würde. Diese Tatsache würde nicht einfach verblassen und nächste Woche … nächstes Jahr …
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