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46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra

46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra

Titel: 46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
Autoren: Karl May
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und verwendet keinen Blick vom Fenster, um ja genau zu sehen, was draußen vorgeht. Nicht einmal dich sieht er an.“
    Resedilla wußte dies besser; sie hütete sich aber, es zu sagen.
    „Ich glaube nicht, daß er das Auge eines Spions hat“, meinte sie.
    „Nicht? Da irrst du! Nun mußt du aber wissen, daß man es einem Diplomaten gleich ansieht, was für ein großer Mann er ist. Darum will ich mich lieber vor diesem Franzosen gar nicht sehen lassen. Er könnte es meiner Miene ansehen, daß ich zur großen Schule gehöre, und Verdacht schöpfen. Darum sollst du allein ihn bedienen. Aber ich bitte dich um Himmels willen, laß dir nicht merken, daß ich ein Anhänger von Juarez bin!“
    Sie unterdrückte ein Lächeln und antwortete:
    „Habe keine Sorge! Ich habe von dir eine diplomatische Ader. Er soll mich nicht fangen.“
    „Ja, ich glaube selbst, daß du diese Ader hast. Das ist die Erbschaft vom Vater auf die Tochter hinüber, ohne daß man weiß, woher es eigentlich kommt. Also kehre in die Schankstube zurück und mache deine Sache gut. Sei lieber etwas liebenswürdiger mit ihm, um ihn kirre zu machen. Ein guter Diplomat muß seine Feinde mit dem Lächeln fangen; ich kenne das von Pirna her!“
    Sie ging in die Schankstube zurück, wo der Gast während der langen Zeit dieser sonderbaren Unterredung ganz allein gesessen hatte. Auf Resedillas Gesicht lag ein Ausdruck allerliebster Schelmerei. Sie nahm an ihrem Fenster wieder Platz, ohne ein Wort zu sagen, da er aber auch schwieg, so wurde ihr diese Stille denn doch zu drückend; daher beschloß sie, eine Unterredung zu beginnen und dabei sofort auf ihr Ziel loszugehen.
    „Seid Ihr wirklich ein Franzose, Señor?“ fragte sie.
    „Ja“, antwortete er. „Sehe ich aus wie ein Mann, der Euch belügen könnte, Señorita?“
    „Nein“, gestand sie aufrichtig. „Ich glaube nur, Ihr hättet Scherz gemacht. Man liebt hier in dieser Gegend die Franzosen nicht.“
    „Ich auch nicht.“
    „Ah!“ sagte sie erstaunt. „Und doch seid Ihr ein Franzose?“
    „Ja. Ich meine aber damit nur, daß ich in Frankreich geboren bin. Ich werde niemals wieder in mein Vaterland zurückkehren.“
    „Habt Ihr es gezwungen verlassen?“
    „Nein; ich bin freiwillig gegangen, ich habe mit meinem Vaterland nichts mehr zu schaffen!“
    „Das muß traurig sein!“
    „Nicht so traurig wie andere Dinge.“
    „Andere Dinge? Welche meint Ihr?“
    „Untreue und Verrat.“
    „Habt Ihr die erduldet?“
    „Leider.“
    „Von einer Geliebten?“
    „Ja.“
    Bei diesem Wort trat der melancholische Ausdruck seiner Züge und seines Blickes deutlicher hervor. Aber seine Antwort hatte die Wißbegierde des schönen Mädchens in hohem Grad erregt. Sie wollte nun auf alle Fälle mehr erfahren und fragte also: „So ist Euch eine Geliebte untreu geworden?“
    „Ja.“
    „Das muß ein böses, herzloses Mädchen gewesen sein, Señor.“ Sie sagte dies so eifrig, und ihr Gesicht hatte den Ausdruck solcher Aufrichtigkeit, daß er bemerken mußte, sie selbst würde ihm nicht untreu werden. Dennoch änderte sich kein Zug seines ernsten Gesichtes. Er sagte nur: „Sie war mehr als das, sie war schlecht.“
    „Darf ich ihren Namen wissen?“
    „Sie wurde Mignon genannt.“
    „Mignon? Erst konnte ich diesen Namen sehr gut leiden, nun aber gewiß nicht mehr. Aber, Señor, Ihr grämt Euch wohl gar noch über sie?“
    „Ja.“
    „So habt Ihr sie sehr lieb gehabt?“
    „Sehr, Señorita.“
    Er antwortete so kurz und einfach, aber gerade dies zog sie am meisten an. Ein anderer hätte einer Dame gegenüber das alles verschwiegen, so wenigstens dachte sie.
    „So müßt Ihr sie zu vergessen suchen, Señor!“
    „Das geht nicht. Ich habe sie zwar nicht mehr lieb, doch hat sie mich so unglücklich gemacht, daß ich sie unmöglich vergessen kann.“
    „Das begreife ich nicht, Señor. Wie könnt Ihr unglücklich sein, wenn Ihr sie nicht mehr liebt?“
    „Weil mein Unglück eigentlich nicht eine Folge ihrer Untreue, sondern ihres Verrates ist.“
    „Ah, sie hat Schlimmes von Euch gesagt?“
    „Ja.“
    „Aber es war eine Lüge?“
    „Nein; es war die Wahrheit.“
    Es war ihr bei diesen Worten ganz sonderbar und fremd zumute. Sie konnte sich keine Rechenschaft über ihr Verhalten geben, aber sie fragte weiter: „Nicht wahr, jetzt habt Ihr im Scherz gesprochen?“
    „Warum sollte ich mit Euch scherzen, Señorita? Ich sagte Euch die Wahrheit.“
    Sie senkte den Kopf. Es war doch ein Gefühl der
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