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43 Gründe, warum es AUS ist

Titel: 43 Gründe, warum es AUS ist
Autoren: Carl Hanser Verlag
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seltsam steif, so als müsstest du dringend pinkeln, aber trotzdem sah es ganz anmutig aus. Deine Hand zappelte in meiner wie ein gefangener Frosch, deine Haare mussten dringend geschnitten werden, deine Lippen waren feucht, du hast dir ständig draufgebissen. Ich wünschte, das wäre das letzte Mal gewesen, dass ich dich so schön fand, Ed. In dem Moment hätte ich dich gehen lassen sollen, hätte deine Küsse zurückweisen und mich stattdessen ins Verkehrsgetümmel stürzen sollen. Dann hätte ich jetzt nicht dauernd diesen Albtraum, ich könnte dir im Flur über den Weg laufen. Ich hätte so ein Gefühl haben sollen, genau dort, an der letzten Kreuzung, als es grün wurde. Denn stattdessen …
    Die Tür zu Willows öffnete sich mit einem Glockenton. Die Auswahl an Blumen war riesig, es haute mich fast um, aber du hast nur mit den Schultern gezuckt und auf meine Fragen mit einem »Hm« geantwortet. »Was soll das heißen?«, habe ich dich gefragt. » Du hast doch weiß Gott mehr Erfahrung mit Blumen als ich.«
    »Hm.«
    »Aber in letzter Zeit vermutlich auch nicht mehr, oder? Die hier sind hübsch. Lilie, steht dran.«
    »Hm.«
    »Eigentlich blöd von mir, dass ich nie Blumen wollte, so schön, wie manche hier sind. Lieber hätte ich mich ständig mit dir zoffen sollen, bloß um welche zu kriegen.«
    »Hm.«
    »Suchst du sie nach diesem altmodischen Code aus? So nach dem Motto: Narzissen für Tut mir leid, dass ich zu spät war, Tausendschön für Tut mir leid, dass ich dich vor deinen Freunden blamiert habe und diese Dinger hier mit den gefächerten Blättern für Hab gerade an dich gedacht ? Oder hast du sie einfach bunt gemischt, je nachdem, was dir gerade gefiel?« Ich war wie eine alberne Marionette, völlig aufgedreht, und ich fand mich auch noch originell, dabei war alles nur ein dämlicher Witz, den schon Kinder öde fanden. »Welche nimmt man zum Geburtstag? Oder für Bitte kommen Sie zu unserer Party? Wie sagt man in der Blumensprache: Sie kennen mich nicht, aber wenn Sie die sind, für die wir Sie halten, dann sind wir große Bewunderer Ihres Könnens, und mein Freund und ich haben eine elegante Veranstaltung zu Ihrem neunundachtzigsten Geburtstag organisiert, bitte machen Sie uns die Freude und kommen Sie? Wie sagt man: Mache meine Träume wahr ?«
    »Du musst Annette sein.«
    Nein, falsche Antwort.
    »Wie geht’s, Ed?«, fragte der Blumentyp, einer mit Glatze und einer Brille an einer Kette aus Glasperlen. Ich redete mir ein, er habe das eben nicht gesagt oder ich hätte ihn nicht gehört oder nicht gehört, dass du stumm bliebst, selbst dann noch, als er mir schon die Hand schüttelte. »Wie schön, wenn man einem Namen endlich mal ein Gesicht zuordnen kann.«
    »Nein, Ambrose«, hast du endlich gesagt. »Wir wollten nur…«
    »Ich weiß schon, was ihr wolltet«, trällerte er und ging zu den Kühlräumen an der Wand. »So sparen wir uns die Liefergebühr. Die zehn Dollar nehm ich vom Kundenkonto deiner Mutter wieder runter, Ed. Kennst du seine Mutter, Annette?« Er schloss die Tür und kam mit einem tiefroten Strauß auf mich zu. »Sie hat Blumen immer so geliebt«, sagte er und drückte mir den Strauß samt Vase strahlend in die Hand, ein eindrucksvolles Arrangement aus langstieligen Blumen in einer Vase, die sich kalt anfühlte. Rote Rosen. Was die bedeuten, weiß jeder.
    »Die sind nicht für sie«, sagtest du plötzlich, und auch das war die völlig falsche Antwort, Ed, verdammt.
    »Du bist nicht Annette?«
    Annette – ich brauchte immer noch einen Moment. Annette stand auf dem kleinen Umschlag, der an einem kleinen Plastikspeer aufgespießt war. Es fühlte sich an, als hätte mir jemand ins Gesicht gespuckt. Für eine Freundin wären rote Rosen genau richtig, und diese Freundin war schließlich ich. Also nahm ich sie entgegen, mit dem Umschlag, der auch kalt war und spitze Kanten hatte.
    »Nein«, sagtest du leise.
    Ed – sie waren wunderschön anzusehen.
    »Ich würde gern sehen«, log ich, »was du zu schreiben hast an diese …« Schon riss ich den Umschlag achtlos auf. Jemand schnappte hörbar nach Luft, ich glaube, das war ich. Peinlich!
    Ich muss immerzu an dich denken.
    Es war einfach nur grauenvoll. Ein Meer voller Grauen, eine Schlucht voll Entsetzen. Es gelang mir nicht, diese Szene in einem Blumenladen vor mir zu sehen. Hör auf, dauernd zu schlucken, redete ich auf mich ein. Deine Miene, die sich in der Glastür spiegelt – schwachsinnig. Und gleich, würde ich spotten, wenn ich
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