Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
voller Sicherheit, und du?“
    „Auch ich habe keinen Schaden genommen. Ich werde gleich bei dir sein.“
    Zwar kostete es einige Anstrengung, von seinem erhabenen Standpunkt herabzukommen, aber es gelang, und als er den festen Boden unter seinen Füßen fühlte, erblickte er auch die Gondel, welche sich zwischen zwei Bäumen eingeklemmt hatte, aus deren Zweigwerk ihm das bleiche Gesicht Wandas entgegenglänzte.
    „Wie werde ich dich von da oben herunterbringen?“ fragte er in einiger Verlegenheit.
    „Das wird nicht so schwierig sein. Ich verlasse mich auf deinen Scharfsinn.“
    „Ich muß eine Strickleiter aus dem Netzwerk anfertigen und – aber warte, vielleicht geht es so schneller und besser.“
    Er suchte den Baum, an welchem das nachgeschleppte Seil hing, kletterte hinauf und schnitt es ab. Zwar hatte er einige Zeit angestrengt zu arbeiten, ehe er es vollständig klarmachen konnte, aber es gelang endlich doch. Dann kehrte er zurück und versuchte durch kräftiges Ziehen, die Gondel weiter abwärts zu bringen. Auch das gelang. Das in den Ästen hängende Netzwerk hielt das Schiffchen fest, so daß ein Sturz nicht stattfinden konnte; Wanda half durch die Entfernung des hinteren Zweiges nach und näherte sich auf diese Weise endlich soweit dem Boden, daß sie denselben durch einen etwas beherzten Sprung erreichen konnte.
    „Soll ich dich losmachen?“
    „Danke, nein. Ich bringe es selbst fertig.“
    Sie wickelte das Seil von sich ab, schickte sich zum Sprung an und lag in dem nächsten Augenblick in den Armen Winters, der sie aufgefangen hatte.
    „Wanda!“ rief er im überströmenden Gefühl des Glücks.
    Sie aber antwortete nicht, und als er fühlte, wie schwer sie an ihm hing und ihr in das Gesicht blickte, erkannte er, daß sie ohnmächtig sei. So lange die Gefahr angehalten hatte, war sie stark gewesen; jetzt aber, wo alles vorüber und keine Anstrengung mehr notwendig war, hatte sich die kräftig verleugnete Weiblichkeit geltend gemacht und sie in eine wohltuende Bewußtlosigkeit gebettet.
    Winter fühlte sich hierdurch nicht im geringsten beängstigt, er wußte, daß dieser Zustand ihr neue Kräfte geben und bald vorübergehen werde. Er legte sie vorsichtig ins weiche Moos nieder und wollte sich entfernen, um nun nach dem Professor zu sehen; aber als er noch einen Blick zurückwarf auf die Daliegende, wurde er von dem Zauber ihrer Schönheit so erfaßt, daß er wieder zurückkehrte und neben ihr niederkniete.
    Er nahm ihr schönes, von weichen, blonden Locken umwalltes Köpfchen in seine Arme und drückte Kuß um Kuß auf die jetzt bleichen Lippen, gerade so wie damals, als sie in der Höhle des Felsenbruchs vor ihm lag und dann bei dem Erwachen vor Zorn erglühend aufgesprungen war.
    Auch jetzt schlug sie die Augen, diese wunderbaren Augen auf; aber nicht zornig blickte sie, als sie seinen Kuß fühlte, sondern selige Freude leuchtete aus ihnen, und beide Arme schlang sie, ihn fest an sich ziehend, um seinen Nacken.
    „Emil, mein Emil, du lieber, starker Mann, der immer da ist, wenn ich in Gefahr bin, und dem mein Leben schon doppelt und dreifach gehört, wie habe ich dich so lieb, so unendlich lieb.“
    „Ist das wahr, Wanda?“
    „Oh, du hast es schon längst gewußt, viel eher noch als ich.“
    „Und nun willst du mein sein, ganz und immer mein?“
    „Ganz und immer.“
    „Dann bin ich namenlos glücklich und danke von ganzem Herzen dem lieben Gott, der uns einst im Wald zusammenführte für nur kurze Zeit und nun im Wald vereinigt für die ganze Dauer des Lebens. Wanda, welch eine Stunde ist die jetzige!“
    „Eine schöne und eine heilige, Emil. Und in dieser heiligen Stunde will ich dir etwas versprechen, was dein Glück verdoppeln wird.“
    „Sprich!“
    „Ich werde nie wieder sein, wie ich gewesen bin, sondern gehorsam und demütig. Heute, als ich da oben auf dem Rand der Gondel saß und sah, mit welcher Sicherheit und welchem Mut du handeltest, um mich zu retten, und als du dann auf so lange Zeit meinen Augen entschwunden warst und ich mich so allein fühlte in der öden, gefährlichen Höhe, da erfuhr ich, welch ein schwaches Wesen ich bin, und gelobte, dir Untertan zu sein für alle Zeit, wenn Gott uns füreinander erhalten würde.“
    „Wanda!“ Mehr konnte Winter nicht sagen. Er war tief ergriffen von den frommen, selbstverleugnenden Worten des schönen, sonst so stolzen und selbstbewußten Wesens, und mit bebenden Lippen sog er die Tränentropfen von ihren Wimpern.
    Da
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher