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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos
Autoren: Hans Gruhl
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Feindschaft um, in
stumme Wut, endlich in Haß. Vor jedem Morgen bangte ich, jeder Tag der
Zusammenarbeit wurde mir zur Qual. Ich rechnete mir aus, wann ich in eine
andere Abteilung versetzt werden würde. Ich schämte mich meiner Schwäche. Ein
anderer hätte ihm den ganzen Kram längst hingeworfen. Ich wagte es nicht,
meiner Ausbildung zuliebe. Wo würde ich eine Stellung bekommen, wenn ich bei
Paulus hinausgeflogen war?
    Und noch etwas kam dazu. Bei
allem Abscheu, den; mir Peters’ Wesen einflößte, empfand ich eine heimliche,
uneingestandene Bewunderung für ihn. Er schillerte und blendete. Er war morbid,
amoralisch und hemmungslos, Aber er zog an.
    Er erreichte, daß ich mich viel
öfter mit seiner Person beschäftigte, als ich wollte. Ich kam nicht von solchen
Gedanken los.
    Sein zweifelhafter Ruf machte
ihn interessant, seine Erfolge erweckten Neid und den uneingestandenen! Wunsch,
es ihm gleichzutun. Ich haßte ihn nicht nur wegen seines Charakters, sondern
wegen meiner eigenen Minderwertigkeit, die mir in seiner Nähe noch deutlicher wurde.
    Nach außen ließ ich mir nichts
anmerken. Ich weiß nicht, ob Peters etwas von meinen Gedanken ahnte. Sie wären
ihm auch gleichgültig gewesen.
    Alles wäre weitergegangen wie
bisher. Ich säße heute als Facharzt für Röntgenologie an einer Klinik oder in meiner
eigenen Praxis. Aber es geschah etwas, das alle meine Hoffnungen und Aussichten
zunichte machte.
    Vera kam zu Besuch.
    Veras Brief lag auf dem Tablett
mit meinem Abendbrot, als ich an einem nebligen Abend müde und abgespannt nach
Hause kam. Schon von weitem erkannte ich ihre Schriftzüge, und eine jähe Freude
überkam mich. Ich zog mich aus und las während des Essens.
    Der Umschlag und der Bogen
rochen ganz zart nach ihr. Ich zögerte, bevor ich das Blatt auseinanderfaltete.
    Vielleicht stand etwas
Schlimmes darin. Daß sie fortging oder heiratete oder etwas Ähnliches. Bei
jedem ihrer Briefe hatte ich dieses Gefühl. Solche Furcht hatte ich, sie zu
verlieren, daß ich jedesmal bangte, ihn lesen zu müssen.
    Vera schrieb:
     
    Mein lieber Stephan,
    Du wirst Dich furchtbar
wundern: Ich bin zu Hause. Ich habe einen tollen Wintersport hinter mir. War
mit Anita in Cortina. Es war einfach himmlisch! Anita hat sich den Knöchel
verstaucht. Ich hatte einen tollen Skidreß. Schade, daß Du ihn nicht sehen
konntest. Hätte Dir bestimmt gefallen.
    Seit gestern bin ich zurück und
wollte Dir gleich schreiben. Hör zu: Ich komme in nächster Zeit und besuche
Dich. Ich weiß noch nicht genau, wann, aber ich komme. Dann erzähle ich Dir
mehr.
    Inzwischen alles Liebe.
    Deine Vera
     
    Ich ließ das Blatt sinken und
betrachtete lächelnd ihr Bild, das auf meinem Schreibtisch stand. Sie schrieb
wie immer. Wie eine Siebzehnjährige. Ich wußte es aus früheren Briefen und aus
der Doktorarbeit. Ihr Temperament erfüllte auch ihre Zeilen.
    Deine Vera.
    Ich wünschte, sie wäre es,
dachte ich.
    Natürlich folgte noch ein
Postskriptum.
     
    Ich komme entweder ins Institut
oder in Deine Wohnung. Oder hast Du eine strenge Wirtin?
     
    Nein. Nein, eine strenge Wirtin
hatte ich nicht. Meine Wohnung war abgeteilt, und ich konnte tun, was ich
wollte. Ich las den Brief noch einmal. Dann holte ich Veras Bild und stellte es
vor mich hin.
    Ich war jetzt siebenundzwanzig.
Vera war drei Jahre jünger. Nie hatte ich den Mut besessen zu fragen, ob sie
mich heiraten wollte. Jetzt mußte ich ihn aufbringen. Es war gut, daß sie kam.
    So weit hatten mich meine
Überlegungen geführt, als die aufkeimende Hoffnung verflog. Vera und ich? Die
Schöne und der Häßliche?
    Wieder las ich den Brief.
    Mein lieber Stephan.
    Deine Vera.
    Vielleicht wollte sie mich
doch? Wer konnte bei einer Frau wissen, was sie wollte.
    Fragen mußte ich sie. Das war
es. Sonst würde es eines Tages heißen: Du hast mich nie gefragt!
    Ich holte mein Briefpapier
hervor und begann zu schreiben. Ich schrieb, wie sehr ich mich über ihre
Nachricht gefreut habe, wie glücklich ich sei, daß sie kommen wolle, wie ich
nur von einem ihrer Besuche zum anderen lebte.
     
    Du bist mir immer die Liebste
gewesen und bleibst es für immer. Dein Bild steht vor mir, seitdem Du es mir
geschenkt hast. Kein anderes kommt an seine Stelle. Jeden Abend, den ich nach
Hause komme, und jeden Morgen, an dem ich erwache, sehe ich Deine Augen als
erstes. Hast Du keine Arbeit mehr, mit der Du nicht klarkommst? Ich würde so gern
wieder einen Kuß von Dir kriegen.
     
    Ich schrieb und schrieb,
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