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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos
Autoren: Hans Gruhl
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Gedanken weiterzudenken. Es half
nichts. Unaufhörlich stiegen Schreckbilder vor mir auf.
    Peters und Vera.
    Ich kannte ihn. Er würde mit
allen Mitteln versuchen, ihr zu gefallen. Er hatte Erfahrungen mit Frauen. Er
griff nach jeder, die in seine Nähe kam. Was konnte ich tun?
    Einfach nicht hingehen.
    Ich sprang auf und lief im
Zimmer auf und ab. Ich würde Vera abholen und sie bitten, mit mir woandershin
zu gehen. Oder sie überhaupt nicht abholen und vorgeben, ich hätte mich nicht
wohlgefühlt.
    So schnell, wie diese Gedanken
gekommen waren, verwarf ich sie wieder.
    Vera würde mich herumkriegen.
Und lügen lag mir nicht. Außerdem — wenn sie ihn wiedersehen wollte, konnte sie
andere Wege einschlagen.
    Ich wurde ruhiger und setzte
mich wieder.
    Es war alles Unsinn. Vera hätte
längst einen Mann haben können. Warum sollte es ausgerechnet Peters sein?
    Und dann: Sie mußte doch
merken, was für einer er war. Sie konnte nicht auf ihn hereinfallen, auf seine
Eitelkeit, seine Arroganz und Großsprecherei. Sie mußte ihn durchschauen.
    Ich trat wieder vor den
Spiegel. Ich band meine Krawatte und sah das Lächeln auf meinem Gesicht.
    Nein. Sie würde nicht auf ihn
hereinfallen. Nicht meine Vera.
     
    Peters hauste in einer
Mansardenwohnung, vier Stockwerke hoch, in einem schmalbrüstigen Haus. Er
empfing uns an der Tür, strahlend und tadellos angezogen.
    »Na, das ist aber doch sehr
fein. Schön und pünktlich wie die liebe Sonne.«
    »Ja«, sagte ich. »Wir waren
auch für acht Uhr eingeladen. Nicht für zehn.«
    Eine Sekunde lang funkelte ein
Licht in seinen lachenden Augen auf. Aber Vera sah es nicht.
    Seine Wohnung entsprach ihm in
allen Einzelheiten. Die Einrichtung schien von Auktionen zu stammen und stand
unordentlich und planlos herum. Von einem kleinen Flur aus gelangten wir in ein
Zimmer, das als Speisekammer, Anrichte, Abstellraum und Gästezimmer zugleich
diente. Es erinnerte mich an unser Labor II. Sein Wohnzimmer glich dem Atelier
eines mittellosen Malers. Auf dem Fußboden lag eine Bastmatte. An den Wänden
hingen Faschingstrophäen und surrealistische Bilder. Alle Stühle, die er besaß,
hatte er im Halbkreis zusammengestellt. Auf einem niedrigen Tisch stand eine
Batterie Weinflaschen. Ein Schlafzimmer und ein Bett besaß er nicht. Die Couch
in der Ecke war die Stätte seiner Ruhe- und Liebesstunden.
    Wir begrüßten zwei Gäste, die
vor uns gekommen waren. Es waren Dr. Koch vom physikalischen Institut, ein
kindlicher Mensch, der ebensolche Witze von sich gab, und Fräulein Behrens,
unsere Fotografin, eine ältliche, demütige Person, die jeder Meinung
beipflichtete. Alle beide waren Peters völlig unterlegen. Den gleichen Eindruck
hatte ich von Dr. Woltersdorf, der kurz nach uns eintraf. Er war Assistent am
chemischen Institut, und der Umgang mit Säuren und Salzen hatte ihn frühzeitig
verkümmern lassen. Er machte für Peters chemische Untersuchungen, wurde von ihm
weidlich ausgenutzt und verehrte in ihm den kommenden Genius der
Isotopenforschung. Ein schöner Haufen von subalternen Naturen waren wir. Ich
wußte nun, warum Peters mich eingeladen hatte. Als letzte kam Ilse Strübel.
Natürlich. Noch eine Anbeterin. Sie warf einen prüfenden und erschrockenen
Blick auf Vera. Wie oft wird Peters sie schon zusammen mit anderen Mädchen
eingeladen haben, dachte ich.
    Er begann, ununterbrochen
redend, die Weinflaschen zu entkorken. Vera schaute sich belustigt um.
    »Bißchen schwach möbliert, Herr
Peters. Sieht aus, als wäre der Gerichtsvollzieher dagewesen.«
    »Ja nun«, sagte Peters mit
strahlenden Augen, »das Leihhaus will auch leben.«
    »Hehehe«, lachte Woltersdorf
meckernd. Die Behrens kicherte eine Oktave höher.
    »Es fehlt eben die Hausfrau«,
fuhr Peters fort.
    »Glauben Sie, daß eine Hausfrau
gegen Sie ankäme?« fragte ich.
    »Kommt auf die Hausfrau an.«
    »Warum heiraten Sie nicht?«
fragte Vera.
    »Weil mir dann keine schöne
Frau mehr diese Frage stellt. Zum Wohl!«
    Wir erhoben die Gläser. Der
Wein schmeckte nach einem billigen Sonderangebot. Ich wußte, daß Peters geizig
war. Er gab ungern etwas für andere aus.
    Vera verzog das Gesicht.
»Bißchen sauer.«
    »Das erste Glas muß sauer
schmecken, Gnädigste«, sagte der kindliche Koch. »Dann liegt das fünfte
richtig.«
    Er grinste Vera an, was nach
seiner Meinung bezaubernd aussah. »Sind Sie auch Mitglied unseres gigantischen
Lehrkörpers?«
    Vera schüttelte ihre Locken.
»Nein. Ich will es erst werden.«
    »Ach.« Peters
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