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38 - Satan und Ischariot II

38 - Satan und Ischariot II

Titel: 38 - Satan und Ischariot II
Autoren: Karl May
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vor mir dumpfes Geräusch.
    „Emery!“ rief ich.
    „Ja. Was?“ antwortete er.
    „Was macht Winnetou?“
    „Er ruht aus; es kommt kein Sand mehr von ihm zu mir.“
    „Um Gottes willen, greif nach ihm!“
    Ein kurzer und banger Augenblick verging, dann schrie Emery förmlich auf: „Er ist verschüttet! “
    „Himmel! Ganz?“
    „Nein; ich habe die Beine. Bleib stehen! Verdränge mich nicht! Es ist kein Platz dazu.“
    Ich hatte ihn beiseite schieben wollen:
    „Mach schnell, sonst erstickt er!“ drängte ich in höchster Angst. Indem ich meine Hände auf seinen Rücken legte, fühlte ich, daß er mit Aufbietung aller seiner Kräfte nach vorn arbeitete. „Cheer up!“ rief er dann. „Jetzt hat er Luft! Winnetou, alter guter Junge, wie geht's?“
    Da hörte ich zu meinem höchsten Entzücken die Stimme des Apachen: „Es war die höchste Zeit; ich stand schon am Ersticken. Die Decke fiel ein und drückte mich nieder; ich konnte nicht einmal rufen.“
    Er pustete, nieste und entfernte den Sand, der ihm in Mund, Nase und Augen gedrungen war. Dann fügte er hinzu:
    „Nun fangen wir wieder von vorne an! Meine Brüder mögen doppelt schnell arbeiten, denn wir würden nun kaum bis zum Anbruch des Tages fertig werden.“
    „Ist gar soviel eingestürzt?“ fragte ich.
    „Ja.“
    „So komm hinter! Du hast dich zu sehr angestrengt. Ich will nach vorn.“
    „Nein“, sträubte sich Emery. „So wie wir stehen, so wechseln wir ab. Ich geh jetzt nach vorn. Winnetou muß nach hinten.“
    Der Apache wollte nicht, mußte uns aber den Willen tun. Leider waren wir durch den Einbruch der Decke sehr weit zurückgekommen. Es galt, das, was wir vorher weggeräumt und befestigt hatten, nochmals wegzuräumen und zu befestigen. Winnetou hatte recht: Es war nun nicht mehr daran zu denken, noch während der Nacht fertig zu werden. Und nur wenn kein fernerer Unfall eintrat, konnten wir hoffen, mit Tagesanbruch die Oberfläche draußen zu erreichen. Daß dann das Entkommen weit schwerer und gefährlicher war, verstand sich ganz von selbst. Und falls wir nicht fertig wurden, zogen die Uled Ayun mit uns fort, sahen das Loch, welches wir gegraben hatten, und sorgten ganz gewiß dafür, daß uns ein Fluchtversuch nicht wieder so leicht gemacht wurde.
    Wir arbeiteten, als ob das Leben davon abhinge, was eigentlich wohl auch der Fall war. Später löste ich Emery ab, so daß nun ich den Vordersten machte. Winnetou befand sich in der Mitte. Wir dachten nicht an die Zeit, ob es noch früh oder schon spät sei; wir kratzten, scharrten und gruben ohne Unterlaß weiter und weiter. Ich bohrte mich schon seit einiger Zeit nach oben, indem ich vorn am Ende des waagerechten Ganges, den wir gegraben hatten, kniete. Da erhielt ich plötzlich einen schweren Schlag auf den Hinterkopf und einen ebensolchen auf die rechte Schulter. Eine schwere Last drückte mich von hinten nach vorn, mit der Brust in den festen Sand, so daß ich fast nicht atmen konnte. Atmen? War denn überhaupt Luft dazu da? Ich hatte das Gefühl, als ob ich mich in einem luftleeren Raum befände. Die eine Hand mühsam nach hinten drängend, fühlte ich dort nicht den offenen Gang, sondern etwas Hartes; der Gang war verschlossen, die Decke wieder eingestürzt, und zwar hinter mir. Ich konnte weder vor- noch rückwärts.
    „Winnetou!“ rief ich.
    Es klang eigentümlich dumpf. Keine Antwort war zu hören.
    „Emery?“
    Derselbe resonanzlose Ton, und wieder keine Antwort! Von den beiden Gefährten war keine Hilfe zu erwarten. Ehe sie das Hindernis zu beseitigen vermochten, mußte ich erstickt sein. Nur nach oben konnte ich Rettung finden. Luft, Luft, Luft! Ich grub und kratzte; scharrte und bohrte mit beiden Händen. Ich achtete nicht darauf, daß der Sand, den ich loslöste, mir Mund, Augen, Nase und Ohren verstopfte. Weiter, immer weiter, gerade hinauf in entsetzlicher, fieberhafter, fast wahnwitziger Hast, und da, da – – – ah, frische, freie Luft in der leeren Lunge! Ich sog und sog sie ein; ich atmete mit Wonne, wischte mir den Sand aus den Augen und sah einen bleichen Himmel über mir, von welchem die letzten Sterne eben im Begriff standen, zu verschwinden! Ich hatte mich durch- und an die Oberfläche der Erde gearbeitet! Die Ellenbogen hüben und drüben einstemmen und mich emporschwingen, war das Werk eines Augenblicks.
    Jetzt sah ich, was mich in Gefahr gebracht hatte, in eine Gefahr, welche weit, weit größer war, als ich gewußt hatte. Wäre ich nur wenige Zoll
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