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335 - Der verlorene Sohn

335 - Der verlorene Sohn

Titel: 335 - Der verlorene Sohn
Autoren: Andreas Suchanek
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hölzernen Liege. Mit aufgerissenem Mund starrte er auf den Körper, der dort angekettet lag. Mindestens ein Dutzend Fragen schwirrten in seinem Kopf, doch er schwieg und versuchte zu begreifen.
    Die Kleidung des angeketteten Mannes bestand nur aus Fetzen, genau wie die Haut. An mehreren Stellen konnte Keran durch die klaffenden Wunden rohes Fleisch und Knochen erkennen. Zudem war eines der Augen blind. Als der Untote den Mund öffnete, um markerschütternd zu brüllen, entblößte er abgefaulte Zahnstummel.
    Instinktiv wandte Keran sich ab, bevor er das bisschen Suppe, dass er Meg zuliebe gegessen hatte, auskotzte.
    »Was ist das?« Zitternd trat er neben Kurrt.
    »Ham wir auf’m Friedhof gefunden«, antwortete der. »Taumelte dort rum und hat gebrüllt. Üble Sache. Wollte uns auffressen.«
    Der Körper des lebenden Toten wand sich unter den Ketten, Spucke und Schleim tropften ihm über die aufgerissenen Lippen. Wie konnte so ein Ding brüllen und Menschen angreifen?
    »Wie habt ihr ihn hierher geschafft?«
    »Joey und Zack ham uns geholfen.« Kurrt trat an die Pritsche und beugte sich zu dem Zombie hinab. »Er hat sie beide gekillt. Dumme Sache.«
    »Was ist das?« Erst jetzt trat Keran näher zu dem Gefangenen. An dessen Schläfe hing ein Kästchen, das mit der Haut verschmolzen schien. »Ist das Teknikk?«, fragte er schaudernd.
    »Schlaues Kerlchen.« Kurrt nickte. »Wollten wir uns schon genauer anschauen, aber weil du ja unser Experte bist, ham wir auf dich gewartet. Da drüben liegt Werkzeug, greif dir das und leg los.«
    Keran schluckte. Kurrt wusste genau, dass er Teknikk hasste. Er hatte seinen Freunden erzählt, weshalb er mit seiner Schwester hierher nach El’ay gekommen war: Sie wollten allen begreiflich machen, dass man sich nicht auf die Teknikk einlassen durfte, dass man sie vernichten musste. Und was war passiert? Weil er so oft darüber sprach, hielt man ihn nun sogar für einen Experten !
    »Stell dich nicht so an«, sagte Kurrt. »Es ist nur Metall und so’n Zeugs. Heute Abend hetzen wir das Ding auf die Blax.« Mit diesen Worten griff er nach dem Kästchen. Die toten Augen des Zombies weiteten sich. Der Körper bäumte sich auf, zappelte, brüllte. Keran sah das Verhängnis kommen, konnte jedoch nichts mehr dagegen unternehmen. Eine der Ösen, an denen die Ketten befestigt waren, hielt den Gewalten des Untoten nicht länger stand und sprang aus der Wand.
    Ruckartig schoss der Zombie in die Höhe. Seine Zähne gruben sich in den ungeschützten Hals von Kurrt, der nicht schnell genug zurückspringen konnte. Es knackte, dann fiel sein Freund zu Boden. Seine reglosen Augen blickten anklagend, der Mund war zu einem stummen Schrei verzerrt.
    Sam wich an die Wand zurück, während Trevor dem Zombie entgegenstürmte. Der wuchtete seinen Körper von der Pritsche. Mit Leichtigkeit stoppte er den Faustschlag von Trev. Seine dünnen Ärmchen griffen nach dem Kopf des Freundes. Erneut gab es einen Ruck. Trevs Genick brach wie ein morscher Ast. Wie Abfall warf der Untote ihn in die Ecke.
    Erst jetzt erwachte Keran aus seiner Starre. Er stand der Tür am nächsten. Zwischen ihm und Sam wankte der Zombie. Zitternd wich Sam zurück, bis er die Wand im Rücken hatte.
    Die Bewegung machte den Zombie auf ihn aufmerksam. Er wählte Sam als drittes Ziel aus. Mit staksigen Schritten, die Arme an der Seite baumelnd, bewegte er sich auf den zitternden Freund zu.
    »Keran, hilf mir«, wimmerte Sam.
    Panik durchflutete Keran, verdrängte sein logisches Denken. Er hechtete durch die Tür und rannte davon. Sams Schreie hallten noch in ihm nach, als er die Lagerhalle schon weit hinter sich gelassen hatte.
    ***
    Eine Ewigkeit schien vergangen, als Keran endlich den Downtoon Buulewaa erreichte. Menschenmassen verstopften die Straßen des Amüsierviertels von El’ay. Auf kleinen Podesten zu beiden Seiten tanzten halbnackte Wooms.
    Während er diesen Anblick sonst stundenlang genießen konnte, blickte Keran heute nur suchend umher. Vor einer der Imbissbuden stand Meg und begutachtete die Auslage. Sie arbeitete in einer Suppenküche, bevorzugte selbst aber festes Fleisch und Gemüse. Ihr Chef beäugte sie stets misstrauisch, wenn sie eine weitere kostenlose Mahlzeit ablehnte.
    Gerade schoben sich Onkel Zev und Tante Jil einen Steinwurf entfernt durch die Menge, kamen aber nur langsam voran. Meg wartete alleine am vereinbarten Treffpunkt.
    Keran hetzte zu dem Imbisswagen. Die Leute wichen erschreckt vor ihm zur Seite, als sie
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