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335 - Der verlorene Sohn

335 - Der verlorene Sohn

Titel: 335 - Der verlorene Sohn
Autoren: Andreas Suchanek
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ihn erblickten.
    »Meg!« Mit letzter Kraft taumelte er zu seiner Schwester. »Sie sind zurück!«
    Als sie ihren Namen hörte, fuhr Meg herum. Ihr Lächeln entgleiste. Entsetzt schlug sie die Hand vor den Mund. »Was ist passiert? Woher kommt das viele Blut?«
    Erst jetzt bemerkte Keran die Blutsprenkel auf seinem Shirt. Sofort erschien das Bild von Kurrt vor seinen Augen, in dessen Hals der Untote seine Zähne gegraben hatte.
    »Androiden!«, keuchte er. »Sie beherrschen die Toten mit Teknikk.« Zitternd taumelte er an die Hauswand. »Kurrt, Trevor und Sam sind tot. Einer der Zombies hat sie zerfleischt.«
    Meg starrte ihn verwirrt an. Vorsichtig trat sie neben ihn. »Die Androiden herrschen in Amarillo, nicht hier. Wir haben seit einem Winter nichts mehr von ihnen gehört. Du stehst unter Schock.«
    Keran mochte es nicht, wenn sie ihn wie ein Kleinkind behandelte. »So glaub mir doch!«, krächzte er. »Sie sind wieder da!«
    In diesem Moment gellte ein Schrei durch die Menge. Eine verhutzelte Mechica zeigte mit ausgestrecktem Finger ans Ende der Straße. Bei ihr stand Kimjo, die Keran ab und an in der Suppenküche sah.
    Aus einer angrenzenden Seitengasse strömten lebende Leichen – er erkannte es auf einen Blick. Ihre Leiber waren eingefallen, teilweise skelettiert und mit Fetzen behangen. In den Händen hielten sie Schwerter und Spieße. [5]
    »Die Toten steigen aus ihren Gräbern!«, schrie jemand. »Rennt um euer Leben!«
    Ein Ruck ging durch die Menge. Alle stürmten gleichzeitig los. Das Ergebnis war ein heilloses Chaos: verstopfte Gassen, Menschen, die zu Tode getrampelt wurden, und umkippende Podeste.
    »Du hast recht«, sagte Meg tonlos. »Sie sind zurück.«
    Keran ergriff sie am Arm. Gemeinsam hetzten sie durch die Menge. Die Menschen strömten in die angrenzenden Gassen oder Geschäfte, verrammelten die Türen. Ein Blick zurück ließ Keran innehalten. Gerade holte einer der Untoten aus und rammte seiner Tante Jil einen Spieß in den Magen. Sein Onkel wurde von drei Zombies gleichzeitig bedrängt. Zähne gruben sich in sein Fleisch.
    »Wir müssen weg von hier«, ächzte er tonlos. »El’ay ist nicht mehr sicher.«
    Meg nickte, während ihr Tränen über die Wangen rannen. Ihr Schicksal hatte sie eingeholt. Gab es überhaupt einen Ort auf der Welt, an dem sie Frieden finden konnten?
    Gemeinsam rannten sie durch die Straßen und Gassen. Genau wie vor einem Winter in Amarillo, ließen sie ihr altes Leben hinter sich, um neu anzufangen.
    ***
    Amarillo, April 2528
    Miki »erwachte« von einer Sekunde zur nächsten. Überall in seinem Gesichtsfeld blinkten Status-Symbole und Verlinkungen auf Log-Einträge. Seine internen Sensoren begannen damit, den Schaden zu protokollieren.
    Wie viel Zeit seit dem Blitzeinschlag vergangen war, wusste er nicht; nur, dass sein Körper erhebliche Beschädigungen davongetragen haben musste, denn die Kontrollverbindungen zu seinen Gliedern waren unterbrochen. Eine Steuerung seines Körpers war somit vorerst unmöglich. Er musste warten, bis das Reparaturprogramm die Verbindungen wiederhergestellt hatte, und konnte bis dahin nur mit seinem neuralen Netzwerk und den in seinem Schädel verbauten Sensoren arbeiten.
    Er begann damit, die Umgebung visuell zu sondieren. Sein Aufenthaltsort glich einem wissenschaftlichen Labor. Überall lagen Werkzeuge zur Bearbeitung von Feinmechanik herum und Monitore zeigten Skalen und Grafiken.
    Miki versuchte die Abmessungen des Raumes zu errechnen, aber sein Gesichtsfeld war zu eingeschränkt, als dass er ausreichende Werte sammeln konnte.
    Zumindest funktionierten seine Grundfunktionen noch. Entweder war es Zufall, oder derjenige, der ihn mit einer gezielten Überladung ausgeschaltet hatte, kannte sich mit Androidentechnik aus. Die Stärke des künstlichen Blitzes hatte ihn deaktiviert, ohne dauerhaften Schaden an seinen Mikrochips anzurichten. Der neuronale Verbund funktionierte einwandfrei, nur auf die Status-Meldungen seines übrigen Körpers konnte er nicht zugreifen.
    Mit einem Klacken öffnete jemand eine Tür. Miki hörte Schritte, die zügig näher kamen. Augenblicke später stand der Unbekannte vor ihm.
    »Wie ich sehe, funktioniert Ihr Elektronengehirn wieder«, stellte der Fremde fest. »Ich hatte schon Sorge, der Blitz hätte irreparable Schäden verursacht.«
    Miki hatte Probleme, ein Profil des Fremden zu erstellen. Seine Stimme wurde von einem Vocoder verzerrt, sein Gesicht von einer schwarzen Maske verdeckt. Um den Körper
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