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328 - Flucht aus dem Sanktuarium

328 - Flucht aus dem Sanktuarium

Titel: 328 - Flucht aus dem Sanktuarium
Autoren: Mia Zorn
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schwer. Dergleichen passierte ihm selten.
    Nicht grübeln, sondern handeln , sagte er sich. Dann wird sich schon ein Weg auftun.
    Durch den Dschungel bahnte er sich einen Pfad zum Rand der Hohlwelt. Was sollte er auch sonst tun? Wenn niemand mehr hier lebte, der ihm den Weg aus dieser halbkugelförmigen Falle weisen konnte, dann musste er ihn eben selbst entdecken.
    ***
    Er schritt die felsige Grenze des Sanktuariums ab. Stundenlang. Immer wieder blieb er stehen und spähte hinauf. Buschwerk und Bäume wuchsen teilweise noch dicht am Felsen. Klettergewächse wucherten an vielen Stellen hoch in die Wand hinauf. Fünfzig bis hundert Meter über Grao’sil’aana hingen sie dann wie grüne Vorhänge herab – an der Stelle nämlich, wo die Krümmung der Felswand und ihr Überhang zu groß wurden und der Pflanzenteppich keinen Halt mehr fand oder von seinem eigenen Gewicht herabgerissen wurde.
    Aus diesem Grund zweifelte Grao’sil’aana auch daran, aus eigener Kraft dort hinaufklettern zu können. Die Wand selbst war zwar schroff und wies an zahlreichen Stellen Nasen und Risse auf. Aber irgendwann wurde die Neigung der Kuppel so groß, dass er seine Körpermasse nicht mehr würde halten können.
    Grao’sil’aana legte Waffen, Lampe und Munitionsgurte ab, ließ sich im Schneidersitz vor der Wand nieder und betrachtete sie. Und dachte nach.
    Da erfasste sein Blick eine Bewegung auf dem Fels. Er sah genauer hin: Ein Tier mit vielen Beinen, etwa so groß wie sein Handteller, jagte quer über die Felswand einem anderen Lebewesen hinterher.
    Grao’sil’aana stand auf und ging näher an die Wand heran. Ein Art Siragippe mit flachem Halbkugelkörper und acht Beinen verfolgte eine kleine Eidechse. Die musste ständig Haken schlagen, um zu entkommen, und wohl nur, weil Grao ihren Verfolger mit einer blitzschnellen Handbewegung einfing, überlebte sie.
    Der Daa’mure hielt das Spinnentier am Rücken fest. Aufmerksam betrachtete er seinen Leib, seinen Kopf, die vielen Augen, seine ins Leere zappelnden Beine.
    Zwischen Daumenklaue und Zeigeklaue hielt er schließlich zwei der acht Beine fest und optimierte die Sehkraft seiner Augen. Nun sah er es genau: Die Beinspitzen des Spinnentiers zerfaserten in unglaublich feine Härchen. Damit fand sie offenbar in feinsten Spalten Halt.
    Genau dies war die Eigenschaft, die er brauchte, um dieser Hohlweltfalle zu entkommen! Grao studierte jedes Gelenk, jedes Härchen der Siragippe. Dann setzte er sie zurück auf die Felswand. Augenblicklich schoss sie nach oben und verschwand in einer Felsspalte.
    Grao’sil’aana aber sammelte seine Kräfte. Während er seine Ausrüstung unter einem Busch versteckte und mit Laub tarnte, berechnete er auf Grundlage seines Körpergewichts und seiner Masse die Anzahl und die Struktur der Haartentakel, die nötig sein würden, um sein Gewicht zu halten, wenn er hoch oben an der Kuppelfelswand hing.
    Dann konzentrierte er sich – und begann, eine andere Körpergestalt anzunehmen. Nach und nach zerfloss er zu einer erst dicken, dann abflachenden Spindel, die acht Fortsätze ausbildete. Während sich sein Schuppenkörper mehr und mehr rundete, gerieten diese Fortsätze immer deutlicher zu acht dreigliedrigen Beinen. Deren Enden zerfaserten zu immer neuen und immer feineren Ausläufern. Und endlich – nach fast einer halben Stunde – näherte sich Grao’sil’aana mit acht Spinnenbeinen erneut der Kuppelwand.
    Er sprang ab, fand keinen Halt und stürzte rücklings ins Unterholz. Nach allen Seiten griffen die Beine aus, bis sie Halt im Gestrüpp fanden und Grao’sil’aana sich wieder auf die Unterseite seines ungewohnten Leibes drehen konnte.
    Noch einmal! Wieder glitt er ab. Ungewohnt war vor allem die Koordination der acht Fortbewegungsglieder, die zudem noch in jeweils drei Fragmente unterteilt waren.
    Nächster Versuch. Diesmal sprang er nicht vergeblich: Er blieb an der Wand haften. Seine Beinfasern fanden Halt. Dann die ersten Schritte. Grao’sil’aana kletterte die ersten Meter in die steile Wand hinein. Zunächst linkisch, spürte er mit jedem Schritt wachsende Sicherheit und mehr Zutrauen in seinen neuen Körper. Die feinsten Haarausläufer seiner Beine fanden jetzt Halt in nahezu unsichtbaren Rissen. Und es ging noch schneller und noch höher hinauf...
    ***
    … und immer noch höher und höher. Fast euphorisch war dem Daa’muren zumute, so geschickt bewegte er sich mittlerweile über die Steilwand. Gut vierhundert Höhenmeter lagen schon
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