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321 - In 80 Welten durch den Tag

321 - In 80 Welten durch den Tag

Titel: 321 - In 80 Welten durch den Tag
Autoren: Oliver Fröhlich
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eine der Reihen entlang. »Dort fallen Gestelle um.«
    Tatsächlich! Ohne erkennbare äußere Einwirkung kippte ein weiteres Dreibein um. Das Exponat krachte zu Boden, wurde durchscheinend und löste sich auf. Erneut erklang das Ächzen. Lauter diesmal.
    »Seht doch!«, rief Xij.
    Die Reihe mit den umkippenden Gestellen schien plötzlich von ihnen weggezerrt zu werden, ohne dass sie sich bewegte. Es wirkte auf Matt, als dehne sich ihre sonderbare Umgebung genauso wie der Schlauch, in dem er sich gewähnt hatte.
    Mit einem Mal klaffte linker Hand ein Riss auf. In großen Brocken stürzte der Boden ins Nichts und zog Gestelle samt Exponaten mit sich.
    Wo waren sie hier nur gelandet?
    »Wir müssen weg!«, rief Grao das Offensichtliche.
    Der Grund unter ihren Füßen bebte und zitterte.
    »Lauft!«, brüllte Matt und rannte los. Die Richtung war gleichgültig, nur weg von dem Riss. Ihn überkam die Gewissheit, dass ein Sturz in die Tiefe ihr Ende bedeutete.
    Die Zone, in der ein unwirklicher Schein die Gestelle beleuchtete, wanderte mit ihm, als wäre er selbst diese Lichtquelle; stets ging sein Blick nur etwa ein Dutzend Schritte weit. Matt sah über die Schulter zurück. Seine Begleiter folgten ihm dichtauf. Und hinter ihnen... erkannte er schattenhafte Gestalten, die offenbar versuchten, sie einzuholen!
    Xij und Grao bemerkten das Entsetzen in Matts Miene. Auch sie wandten sich kurz um – um anschließend noch schneller zu rennen. Aber wohin sollten sie fliehen in einem schier endlosen Raum, den nichts als Dunkelheit umgab?
    Da bemerkte Matt zwischen zwei Gestellreihen ein strahlendes Rechteck, ähnlich einer Tür zu einem grell erleuchteten Nebenraum.
    Aber war es wirklich eine Tür? Egal! Die Schatten kamen näher, versuchten mit ihren langen dünnen Armen Xij zu greifen.
    Im selben Moment fühlte auch Matt sich gepackt. Aber nicht von schemenhaften Händen, sondern von einem starken Sog. Er musste von dem Lichttor ausgehen, denn er zerrte ihn auf den hellen Schein zu.
    Im nächsten Moment erfasste der Sog sie alle, hob sie in die Luft und wirbelte sie durcheinander. Die Schattenwesen blieben zurück.
    Dann verschluckte sie das Licht.
    II.
    Tom Ericson stand hinter dem Tresen des Dirty Digger und stellte das Glas mit Ale vor Henry Ferguson ab. »Lass es dir schmecken, Fergo«, sagte er zu dem Stammgast.
    »Ich danke dir.« Der unrasierte Mann, dessen Brandnarben ihm stets den Anschein eines einseitigen Lächelns verliehen, nahm einen großen Schluck.
    Tom hatte ihn während der letzten zwei Jahre, seit er die Bar übernommen hatte, nie gefragt, woher die Narben stammten. Fergo würde es erzählen, wenn er dazu bereit war. Und vorher interessierte es Tom nicht.
    Vielleicht sollte er es also nie erfahren. Denn in zehn, spätestens fünfzehn Jahren würde er seine Zelte in London abbrechen und weiterziehen. Bevor jemand bemerkte, dass er nicht alterte. In Zeiten wie diesen konnte das einen schnell auf den Scheiterhaufen bringen.
    Tom schauderte bei dem Gedanken. Forschung und Fortschritt hatten den Menschen aus dem Mittelalter geführt und zu einer technisierten Spezies geformt. Und sie waren es auch gewesen, die ihn dorthin zurückgestoßen hatten.
    Als Tom nach seinem Sturz in einen Sumpftümpel in Florida feststellte, dass er in den Jungbrunnen gefallen war, hätte er sich nie träumen lassen, über dreihundert Jahre später befürchten zu müssen, dass man ihn verbrannte, wenn man hinter sein Geheimnis kam.
    Die Welt war ein verrückter Ort. Die Bühne für ein Schauspiel voller Ironie.
    Oder wie sollte man es sonst bezeichnen, wenn sich im Jahr 2012 die Menschheit vor Angst in die Hosen machte, weil ein Komet im Anflug war? Wenn dieser Brocken mit dem wohlklingenden Namen »Christopher-Floyd« die Erde nach kosmischen Maßstäben nur um Haaresbreite verfehlte und Präsidentin Clinton anschließend ein Loblied auf den Mut der Menschen im Allgemeinen und die Vereinigten Staaten von Amerika im Besonderen sang? Wenn am Ende des Jahres sogar die größten Schwarzmaler und Untergangstheoretiker bestätigten, dass das Ende des Maya-Kalenders eben doch nicht das Ende der Welt darstellte? Und wenn nur Wochen später die Nachricht um den Erdball ging, dass im Bemühen, ein Heilmittel gegen AIDS zu finden, der HIV-Virus mutiert sei – zu einer Variante, mit der man sich auch durch die Luft anstecken konnte?
    Nur zehn Jahre später hatte die Krankheit fünfundneunzig Prozent der Menschheit dahingerafft. Wie anders sollte
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