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313 - Der verlorene Pfad

313 - Der verlorene Pfad

Titel: 313 - Der verlorene Pfad
Autoren: Stephanie Seidel
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getrotzt und ein Leben als einsamer Lupa gelebt, und dann kommt diese kleine, bezaubernde Frau, knallt eine Tür zu – und ich werde zum Weichei!« Er seufzte noch einmal. Dann straffte er sich. »Na los, Mann. Geh heiraten... blöder Idiot!«, fügte er noch hinzu, als er den Rückweg antrat.
    Es hatte wieder zu schneien begonnen. Das Abendrot war erloschen, die Dämmerung fiel übers Land. Nicht mehr lange, dann wurde es Nacht in den Highlands. Es war die letzte des Jahres.
    Die letzte in Freiheit...
    ***
    Bei Kalskroona, etwa zwei Wochen zuvor
    Über den Dreizehn Inseln zog eine Wolkendecke dahin, ohne Eile, schwer von Schnee, und nur selten gelang es der kraftlosen Dezembersonne, sie zu durchbrechen. Wenn sie es tat, dann versiegte das wispernde Flockengestöber für kurze Zeit. Und alles wurde still.
    In solchen Momenten erwartete Aruula den Schrei des Totenvogels. Krahac würde kommen und sie holen, davon ging sie aus in ihrem Gefängnis unter der Erde, das mit jedem weiteren Tag, der keine Rettung brachte, ein bisschen mehr zur Gruft wurde. Zu ihrer Gruft.
    Aruula fürchtete sich nicht vor dem Tod – ihr Leben als Kriegerin war eine endlose Aneinanderreihung gefährlicher Situationen gewesen. Allerdings hatte sie gehofft, ehrenvoll zu sterben. Vielleicht durch das Schwert eines gleichwertigen Gegners, oder bei einem ihrer vielen Balanceakte auf dem schmalen Grat entlang der Grenze zu Wudans Reich.
    Aber bestimmt nicht an Kälte und Auszehrung in einem lausigen Erdloch, das ein noch lausigerer Daa’mure zur tödlichen Falle umfunktioniert hatte!
    Verflucht sollst du sein, Grao’sil’aana!, dachte Aruula bitter, den Blick nach oben gerichtet.
    Über ihr verengte sich die Höhlendecke zu einem kurzen Felsenkamin und führte an dessen Ende in die verschneite Außenwelt. Aber der Ausstieg war unmöglich zu erreichen, dazu hätte sie eine Leiter oder ein Seil haben müssen. Etliche gerissene Wurzelstränge am Boden, sofern sie nicht verfeuert worden waren, kündeten von dem vergeblichen Versuch, selbst ein Tau zu knüpfen.
    Wochenlang hatte sich die Öffnung ins Freie regelmäßig verdunkelt, wenn der Daa’mure erschien, um Aruula und den mit hier gefangenen Orlaando mit Proviant und Brennholz zu versorgen. Im Gegenzug verlangte Grao Informationen. Keine Staatsgeheimnisse, sondern meist alltägliche Dinge, die er wissen musste, um unauffällig beim Volk der Dreizehn Inseln leben zu können. Allerdings nicht als gewöhnlicher Mitbürger.
    Er hat meine Gestalt angenommen! Aruula presste die Lippen zusammen. Alles, was er da draußen macht, geschieht in meiner Gestalt! Als Königin Aruula! Mein Name... mein Andenken... sie werden für immer beschmutzt sein durch Taten, die ich nie begangen habe! O Wudan, ich flehe dich an: Gib mir noch eine Chance, diese heimtückische Kreatur zu vernichten! Nur eine Chance!
    Die Barbarin hielt inne. Lauschte auf eine Reaktion. Ein Zeichen.
    Aber Wudan antwortete nicht. Der Gott, dem sie von Kindesbeinen an vertraute, hatte sie verlassen.
    Aruulas Widerstand erlosch so schnell, wie er aufgeflammt war, und erneut sank die erschöpfte Frau zurück in jenen Zustand zwischen Tag und Traum, der sie immer öfter umfing, seit der Totenvogel unterwegs zu ihr war.
    Entbehrungen konnte sie ertragen, das hatte die Barbarin gelernt auf dem steinigen Pfad ihres Lebens. Hunger und Kälte hätten ihr nie den Mut geraubt. Was sie resignieren ließ, war die Hoffnungslosigkeit ihrer Situation. Aruula wusste, dass sie ohne fremde Hilfe nicht mehr ans Tageslicht gelangen würde – und Hilfe würde nicht kommen, denn ihr Volk vermisste seine Königin nicht. Dank Graos gestaltwandlerischen Fähigkeiten befand sie sich ja dem Anschein nach mitten unter ihnen.
    Bildsequenzen liefen vor Aruula ab, in schneller Folge, vom Fieber geschürt. Es war eine unzusammenhängende Mischung aus tatsächlichen Erinnerungen, aus Erzähltem und Visionen.
    Grao’sil’aana hatte sie in dem Zelt, wo sie darüber nachdenken sollte, ob sie die Königinnenwürde annahm, überrascht und sie angegriffen. Zwar hatte sie ihn verwunden können, war aber letztlich dem Daa’muren unterlegen. Er glaubte sie tot und verscharrte sie in einem Erdloch. Wo Orlaando sie fand, den die Priesterin Juneeda auf sie angesetzt hatte. Seine Verführungskünste sollten ihr die Entscheidung erleichtern, Königin zu werden.
    Vor Stunden erst hatte sie seine Avancen zurückgewiesen – und nun rettete er sie. Brachte sie ins Leben zurück, bevor
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