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310 - Auf gewagtem Kurs

310 - Auf gewagtem Kurs

Titel: 310 - Auf gewagtem Kurs
Autoren: Michelle Stern
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bereit, das Risiko einzugehen. Und ich werde jede einzelne Schwester, die sich für den Zirkel meldet, über die Gefahr aufklären und keine zwingen. Eines musst du mir aber versprechen, Aruula.«
    »Ja...?«
    »Kümmere dich um meinen Sohn Juefaan, falls mir etwas zustößt. Er...« Sie verstummte. Die Sorge um ihr Kind stand ihr ins Gesicht geschrieben.
    Grao nickte. »Dieses Versprechen habe ich dir bereits vor der Schlacht gegeben. Es gilt weiterhin.«
    Sie sahen einander an. Zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt als Königin spürte Grao, dass sie einander verstanden.
    Nur wenige Stunden später versammelten sich dreizehn Kriegerinnen der Inseln und Grao am Waldrand, um dort unter dem Schutz der Bäume auf einer kleinen Lichtung ihren Kreis zu bilden. Dicke Felle bedeckten den Boden und ragten wie winzige Inseln aus Grau, Weiß und Braun im Schnee auf. In der Mitte loderte ein Feuer, das im Wind bedenklich flackerte und jeden Moment zu erlöschen drohte.
    Mit Anspannung beobachtete Grao, wie die zwölf besten Lauscherinnen unter der Anleitung Juneedas in Trance glitten. Ihre im Kreis aufgestellten Körper pendelten vor und zurück. Grao kannte inzwischen alle Namen der vor ihm Versammelten.
    Juneeda stimmte ein tiefes Summen an. Sie war die Älteste des Kreises. Neben ihr griff die Erste Kriegerin Dykestraa das Summen auf. Sie opferten ihre Stimmen in einer Eingangsmeditation Wudan.
    Grao schrak leicht zusammen, als die Frauen wie auf ein geheimes Signal hin verstummten und sich mit gekreuzten Beinen zu Boden sinken ließen. Auf den Fellen sitzend ergriffen sie einander an den Händen. Das Feuer in ihrer Mitte erlosch, doch keine von ihnen schien zu frieren.
    Grao begriff, dass sie sich nun mit der Welt, die sie umgab, verbanden, und zugleich miteinander. Sie waren Erde, Himmel, Feuer und Wasser.
    Juneedas Stimme hob an zu sprechen. »Fühlt das Pulsieren der Mutter Erde. Fühlt den Fluss des Lebens, in den Vater Himmel uns hüllt. Wir alle sind Energie und von Leben umgeben. Spürt das Sein und die Kraft dieser Welt. Lasst uns eins werden und als ein Geschöpf unser Fühlen ausschicken zu dem einen Ort fern von unserer Welt, an dem Dunkelheit herrscht.«
    Ihre Stimme verklang. Schweigen senkte sich über den Wald. Eine Stunde lang saßen die Frauen reglos. Keine klagte über den stärker werdenden Schneefall, der ihre Mäntel und Haare weiß färbte.
    Mit ansteigender Unruhe ging Grao lautlos um ihren Kreis herum. Spürten sie etwas? War es für sie überhaupt möglich, den Streiter zu fühlen? Er selbst war sicher, er hätte es mit einer Vereinigung mehrerer Sils geschafft, das kosmische Wesen aufzuspüren. Aber seine mentale Gabe hatte er schon vor langer Zeit bei der Schlacht des Wandlers gegen den Finder am Uluru verloren. [7] Und die anderen Sils reisten seit dem Sieg über den Finder und dem Rückzug des Wandlers von der Erde durch das All, nicht wissend, wie nah ihnen der Streiter bereits gekommen war.
    Nur wenige Daa’muren, die es damals nicht zum Uluru geschafft hatten, waren noch hier auf dem Planeten, so weit verstreut, dass Grao’sil’aana in all den Jahren seitdem noch keinen getroffen hatte.
    Obwohl er nicht mehr dem einen Wandler diente, der sein Volk erschaffen hatte, fühlte Grao sich unfrei. So wenig Gefühle er besaß, so tief verwurzelt war dennoch seine Beziehung zum Wandler. Er hätte das unschuldig gejagte Geschöpf jederzeit mit seinem Leben geschützt.
    Die zweite Stunde verstrich. Mit gesenktem Kopf wollte der Daa’mure schon jede Hoffnung aufgeben, als Juneedas Stimme erneut erklang. Sie hörte sich rau und gequält an. Mit ihren Worten sanken die Oberkörper aller Kriegerinnen nach unten, als wären sie ein Wesen.
    »Wir spüren... Hunger«, stieß sie hervor. »Großen Hunger. Dunkelheit. Eine Verständigung ist nicht möglich. Da ist nur... Gier. Unstillbare Gier. Da ist... Vernichtung. Das Sonnensystem. Die Erde. Alles wird... untergehen...«
    Juneedas Lider zitterten. Ihr Körper bebte. Auch die anderen Frauen zuckten wie unter Krämpfen.
    »Nein«, keuchte Juneeda. »Nein, das nicht...« Ihre Stimme wurde ein Wimmern. Sie riss den Mund weit auf. Dann schrien dreizehn Frauen gleichzeitig.
    Grao schwankte. »Was seht ihr? Sagt mir, was ihr seht!«
    Der Schrei endete. Die Kriegerinnen ließen einander los. In den Augen aller lagen Tränen. Juneeda stand langsam auf.
    »Wir hatten eine entsetzliche Vision, Aruula. Der Streiter kommt. Er ist mächtiger als alles, was du dir
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