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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden
Autoren: Karl May
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Boden trennten, sank rückwärts auf die Fersen und legte die Hände auf die Schenkel. Während dieser streng und genau vorgeschriebenen Bewegungen betete er:
    „Allahu akbar! Ich preise die Vollkommenheiten meines Herrn, welcher der Allerhöchste ist. Gott ist sehr groß.“
    Nun erhob er sich ganz, um stehend fortzufahren, kam aber nicht dazu, denn der Amerikaner sprang jetzt auf und zu ihm hin, zog ihn beim Arm vom Teppich zurück und rief dem Dolmetscher fragend zu:
    „Dieser Mensch betet wohl?“
    „Ja“, antwortete der Gefragte.
    „Mohammedanisch?“
    „Ja.“
    „Sagen Sie ihm, daß ich das nicht dulde! Sagen Sie ihm, daß ich ein Christ bin, ein Missionar, welcher zu den Heiden geht, um sie zu bekehren. Ich kann und darf nicht dulden, daß in meiner Gegenwart anders als christlich gebetet wird. Er hat sofort aufzuhören, sofort!“
    Es gilt bei den Mohammedanern schon für eine Sünde, an einem Betenden nahe vorüberzugehen. Ihn mit Worten zu unterbrechen, ist gar nicht denkbar. Ihn aber in der Weise zu stören, wie der Yankee es tat, das würde man nur einem Wahnsinnigen oder einem Todfeind zutrauen, welcher eine Beleidigung plant, die nur mit Blut abzuwischen ist. Dabei ist es ganz gleich, wes Standes der Betende ist. Beim Besuch der Moschee und auch während der Gebete außerhalb derselben wird der niedrigste dem höchsten und umgekehrt dieser jenem vollständig gleich geachtet. Sejjid Omar war zunächst starr vor Erstaunen, doch seine Augen blitzten. Dann fragte er den Dolmetscher, was der Fremde ihm gesagt habe. Der Levantiner berichtete es ihm mit hämischer Genauigkeit. Da hob Omar die Arme, um den Beleidiger anzufassen, beherrschte sich aber schnell, ließ sie wieder sinken, trat einen Schritt zurück, maß den Amerikaner mit einem unaussprechlichen, halb verächtlichen, halb mitleidigen Blick, warf die Hand leer in die Luft, was ein Zeichen der größten Geringschätzung ist, und richtete an den Dolmetscher die Worte:
    „Ich wollte ihn hier vom Felsen hinunterwerfen, und sein Widerstand wäre gegen die Kraft meiner Arme nichts gewesen; aber ich bin Sejjid Omar und will mich nicht durch die Berührung mit einem so großen Schmutz besudeln. Jeder Heide hat mehr Verstand als dieser Nasrani (Christ), sage ihm das. Wehe jedem, der zu dem Glauben und zu den Sitten eines so rücksichtslosen Verächters und Störers des Gebetes übertritt! Ich habe nichts mehr mit ihm zu schaffen. Das Geld für meinen Esel schenke ich ihm. Ich mag es nicht berühren!“
    Er hob den Teppichgürtel auf, schwang sich auf sein Grautier und ritt im Trab davon, indem er den Gürtel in vielsagender Weise hinter sich her ausschüttelte. Dem Levantiner war es ein Vergnügen, die Worte Omars in einer Weise zu übersetzen, welche an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrigließ. Als die Tochter, welche von ihrem Platz aufgestanden war, das hörte, rief sie dem Vater vorwurfsvoll zu:
    „Was hast du getan! Ich wollte dich zurückhalten; du warst mir aber zu schnell. Dieser Araber gefiel mir so sehr! Er war so ernst, so still und so bescheiden. Sein Gebet rührte mich. Hieltest du dich wirklich für verpflichtet, es zu unterbrechen?“
    „Natürlich“, antwortete er. „Du sollst keine andern Götter haben neben mir, gebietet die Heilige Schrift. Elias hat die Pfaffen Baals geschlachtet. Sein Eifer soll ein Vorbild sein für jeden, der als Glaubensbote zu den Heiden geht!“
    „Meinst du nicht, daß unser Gott und Allah ganz derselbe sei?“
    „Wer einen anderen Glauben hat, hat auch einen andern Gott! Und andere Götter zu haben ist verboten; das hast du ja gehört!“
    „Aber die Liebe, von welcher ihr predigen sollt, macht es euch doch – – –“
    „Sei still mit dieser Liebe, von der du nichts verstehst!“ unterbrach er sie schnarrend. „Erst glaube ich; dann liebe ich. Wir haben hinaus in alle Welt zu gehen und alle Völker zu belehren. Von dem Wort aber, welches wir verkünden, sagt die Bibel, daß es ein Hammer sei, der Felsen zerschmettert. Nur dadurch, daß wir diese Macht des Wortes zeigen, können wir den Heiden imponieren. Und dann, wenn sie die Unseren geworden sind, werden wir ihnen unsere Liebe schenken. Wir haben endlich eingesehen, wie weit man mit der Liebe allein kommt. Es ist erwiesen, daß in neuerer Zeit der Islam mehr Fortschritte macht als das Christentum. Das Heidentum wird dem gehören, der es zum Gehorsam zwingt!“
    Das klang so entschieden und so hart, daß sie es vorzog, still zu sein.
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