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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden
Autoren: Karl May
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nicht?“
    „Sie wollen allein sein, ganz ungestört speisen.“
    „Das geht mich nichts an! Ich bin Missionar, gehe nach China und werde die Gelegenheit natürlich sofort ergreifen, diese für mich hochinteressante Bekanntschaft zu machen. Also ich bitte, geben Sie meine Karte ab!“
    Der Kellner bewegte den Kopf bedenklich hin und her, überlegte ein Weilchen und entschied dann:
    „Ich kann das nicht auf mich nehmen und werde Ihnen also den Herrn Direktor schicken.“
    Als er sich entfernt hatte, hörte ich, daß die Tochter im Ton der Besorgnis fragte:
    „Aber, Vater, ist das nicht vielleicht ein gesellschaftlicher Fauxpas von dir?“
    „Wieso Fauxpas?“ erwiderte er. „Ist es ein Fehler, jemand kennenlernen zu wollen?“
    „Aber auf diese ungewöhnliche Weise! Das ist schon bei uns und in Europa verboten, und in China soll man in Beziehung auf neue Bekanntschaften noch viel strenger sein!“
    „Du vergißt, daß wir nicht in China, sondern in Kairo sind. Hier gelten die Regeln aller und also eigentlich keiner Welt. Ferner bin ich Missionar, und sie sind Heiden. Ich denke an meine Wette mit Reverend Burton. Welch ein Erfolg, ihm schon von hier aus berichten zu können, daß ich zwei Chinesen bekehrt habe, noch ehe ich in China angekommen bin!“
    „Aber, wir sitzen hier so gut, so allein, so ungestört. Ich bitte dich!“
    „Die Unterhaltung mit ihnen steht mir höher als unser Alleinsein!“
    „Aber ich, was werde ich sagen, die ich kaum hundert Worte chinesisch kenne?“
    „Du wirst schweigen, was für euch Damen bekanntlich das allerbeste ist.“
    „Ich befürchte doch, daß wir zudringlich sind!“
    „Zudringlich? Pshaw! Sie sind Kaufleute, handeln mit Chinawaren. Es ist also eine Ehre für sie, wenn wir uns zu ihnen setzen.“
    Der Direktor kam. Das Verlangen des Amerikaners schien auch ihm ungelegen zu kommen, doch nahm er schließlich die Karte, um sie dem älteren Chinesen zu geben. Dieser las den Namen, hörte das, was der Direktor ihm sagte, an, ohne eine Miene zu verziehen, und gab dann seine Einwilligung durch ein kurzes Neigen seines Kopfes zu erkennen. Das hatte ich nicht erwartet. Doch als er hierauf seine beiden kleinen, feinen Hände an den tief herabhängenden Spitzen seines Bartes herniedergleiten ließ, leuchtete aus seinen Augen ein kurzer, fast unbemerkbarer Blick zu seinem Sohn hinüber, den dieser mit einer leisen, zitternden Bewegung seines Fächers erwiderte. Ostasien kam dem Wunsch der Vereinigten Staaten jovial entgegen.
    Der Direktor überbrachte die Antwort. Mary erhob sich, wie sie nicht verbergen konnte, nur höchst ungern von ihrem Platz; ihr Vater aber schritt einem Sieger gleich mit ihr an meinem Tisch vorüber, den Chinesen zu, welche langsam und feierlich aufstanden und ohne irgendeine Bewegung der Höflichkeit ihnen stumm entgegenblickten. Der Missionar verbeugte sich vor ihnen und redete sie in einer Sprache an, welche er wahrscheinlich für gutes Chinesisch hielt. Sosehr ich aufpaßte, so verstand ich nur den Namen Waller, welcher jedenfalls der seinige war, und dann noch das Wort tschui, welches ‚sich an jemand anschließen‘ bedeutet. Als er geendet hatte, schienen die Chinesen grad auch so viel oder so wenig verstanden zu haben, denn sie gaben zunächst keine Antwort, sondern Fu deutete an Stelle derselben auf die beiden Stühle, welche Vater und Tochter einnehmen sollten. Sie setzen sich, Mary in außerordentlicher Verlegenheit. Da die Chinesen beharrlich schwiegen und unbeweglich wie Statuen saßen, so begann der Missionar, eine zweite Rede zu halten, deren Wirkung keine andere als die der ersten war, denn als er mit ihr zu Ende war, fragte Fu in einem weit besseren als dem gewöhnlichen Kanton-Englisch:
    „Bitte, mir zu sagen, in welcher Sprache Sie soeben zu uns gesprochen haben!“
    „Es ist ja chinesisch!“ antwortete der Gefragte, ganz erstaunt über diesen unvermuteten Erfolg seiner Sprachfertigkeit. „Ich habe gehört, daß Sie Chinesen sind, und hoffe sehr, daß man mir nicht falsch berichtet hat!“
    „Ja, wir sind aus China; aber dieses Land ist ungeheuer groß. Wir haben es noch nicht in allen seinen Teilen bereist und sind also wohl noch nicht in der Gegend gewesen, wo man den Dialekt spricht, den Sie sich angeeignet haben. Darf ich fragen, in welchem Teil des Landes diese Gegend liegt?“
    Im ersten Teil dieser Rede war Fu so rücksichtsvoll gewesen, für die Unkenntnis des Amerikaners nach einem Grund der Entschuldigung zu suchen.
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