Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
308 - Ein Planet wird vermisst

308 - Ein Planet wird vermisst

Titel: 308 - Ein Planet wird vermisst
Autoren: Susan Schwartz
Vom Netzwerk:
trug sein langes braunes Haar gescheitelt, mit eingeflochtenen getrockneten Heilblättern. Seine sandfarbenen Augen blickten hellwach, jedoch distanziert. Er verzog keine Miene.
    »Gut.« Maya wusste, wie sehr ihre Mutter lange Diskussionen hasste; sie würde auch so alles der Reihe nach erfahren. Also machte sie sich, geführt von Blattschwinge, ohne weitere Worte auf den Weg.
    Der Wald war sehr dunkel und vor allem still. In der nächtlichen Kälte gab es kaum ein Tier, das nachtaktiv war; es gab auch keinen Grund dafür, da der Wald geschützt war und die Räuber keine Nachstellungen menschlicher Jäger fürchten mussten.
    Maya musste schließlich Blattschwinges Hand nehmen, um den Weg nicht zu verlieren. Sie verfügte nicht über die nachtsichtigen Augen eines Waldmenschen. Sie fragte nicht, wohin sie gingen, denn zum einen wusste sie um die Schweigsamkeit der Waldleute, zum anderen vertraute sie ihrer Mutter. Innerlich musste sie schmunzeln, wenn sie daran dachte, wie Vera Akinora ihre beiden Bodyguards vermutlich gerade zur Schnecke machte. Die würden auf Einhaltung der Vorschriften pochen und versuchen, an ihr vorbeizukommen, aber gegen die resolute Greisin hatten weder sie, noch der Gleiterpilot eine Chance. So hartgesotten sie auch waren, hier würden sie an ihre Grenzen stoßen.
    Umrisse von Bäumen zogen an Maya vorbei, hie und da leuchteten Insektenpanzer auf, oder auch einmal eine Pflanzenrispe, die sie unbeabsichtigt streifte. Es half kaum, sich zu orientieren, war aber dennoch irgendwie tröstlich. Wenn Blattschwinge Maya nun einfach stehenließ, müsste sie auf der Stelle verharren und bis zum Morgen warten.
    Der Witz war gut , dachte sie. Ich weiß ja nicht mal, in welche Richtung wir gehen, und der Wald ist riesig. Ich kann hier jahrelang herumirren, ohne hinauszufinden.
    Jedenfalls nicht ohne Technik. Mayas Finger streiften über ihren PAC [1] am Handgelenk. Damit würde sie sich überall zurechtfinden, aber wenn sie ihn verlor, war sie aufgeschmissen.
    Die technikverliebten Städter betrachteten die von Natur aus sensiblen Sinne der Waldleute mit Misstrauen, und die Waldleute wiederum verachteten die Städter für ihre »Abgestumpftheit«. ProMars hatte dies genau erkannt, den ewigen Konflikt angefacht und schürte ihn kräftig weiter. Maya überlegte schon lange, wie sie eine Eskalation, zu der es früher oder später kommen musste, verhindern konnte. Sie hatte so sehr gehofft, das Problem in den Griff bekommen zu haben, und musste nun erkennen, dass sie immer noch am Anfang stand. Vielleicht... hatte dieser Ausflug damit zu tun?
    Der junge Waldmann blieb plötzlich stehen. Maya wäre beinahe in ihn hineingelaufen und sah sich verwirrt um. Sie hatte nicht bemerkt, dass die Bäume zurückgewichen waren und sie auf einer kleinen Lichtung stand.
    »Hier«, sagte Blattschwinge. Er zog einige Stäbe aus seinem Gürtel und steckte sie vor Maya in bestimmten Abständen in die Erde. Dann holte er etwas aus einer verborgenen Tasche seiner Kleidung, und als es aufflammte, wusste Maya, dass es ein Feuerzeug war. Leise lächelte sie; ein paar technische Erleichterungen nahmen also auch die Naturmenschen an. Gleich darauf brannten die Fackeln und verbreiteten gerade ausreichend Licht, dass Maya bis an den Rand der Lichtung blicken konnte.
    »Warte. Er kommt gleich.« Er duzte sie, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, und sagte kein unnötiges Wort. Kurz nickte der junge Mann der Präsidentin zu, dann ging er denselben Weg zurück und verschwand im Dunkel.
    ***
    Maya rieb sich die Arme und drehte sich langsam um die eigene Achse. Sie fühlte sich alles andere als wohl, und das flackernde Fackellicht spendete kaum Trost. Wenn nun doch ein gefährliches Tier ihren Weg kreuzte? Schon ein fingernagelgroßer Käfer genügte, um einen ausgewachsenen Marsianer innerhalb weniger Sekunden umzubringen.
    Mach dich nicht verrückt , dachte sie. Du hast schon ganz anderes überstanden.
    Beispielsweise den ersten Flug vom Mars zum Erdmond, und von dort aus zur Erde selbst. Sie hatte den Erstkontakt ohne Anzug überstanden, und den Angriff primitiver Barbaren. Sie hatte Lorres verloren, den Vater ihrer Tochter Nomi, als das wahnsinnig gewordene Bewusstsein eines ehemaligen Cyborgs sich des marsianischen Schiffes bemächtigt hatte. Sie hatte Anschläge, Kämpfe, Entführungen und das Superbeben überstanden.
    Und ausgerechnet an diesem durchaus vertrauten Ort ihrer Heimat, an den ihre eigene Mutter sie geschickt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher