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306 - Ein Hort des Wissens

306 - Ein Hort des Wissens

Titel: 306 - Ein Hort des Wissens
Autoren: Jo Zybell
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zurück!«
    Varmer sprang auf und spähte über die Zinnen. Tatsächlich: Hoss und seine sechs Reiter ritten den Fahrweg herunter und hielten ihre Horsays vor dem Burggraben an. »Du kommst spät, Kleiner, aber du kommst. Hast du nicht die Nasen dieses Albinos im Gestrüpp liegen sehen? Gutes Zeichen, wenn sie sich nicht an euch herangetraut haben.«
    »Lass die Brücke herunter, Jesus!«, rief sein Adjutant auf der anderen Seite des Burggrabens. »Wir sind elend müde.«
    »Ich lasse euch lieber eine Leiter hinab«, sagte Varmer. »Die Brücke hängt nur noch an einer Kette, weißt du? Keine Ahnung, wie lange die noch hält.«
    »Der Meister wird kaum über eine Leiter in die Burg klettern wollen«, entgegnete Hoss.
    »Was für’n Meister?«
    »Meister Chan ist hier.« Hoss feixte, es wirkte ziemlich bemüht. »Überraschung, was? Jetzt mach schon auf.«
    Mit einer Kopfbewegung bedeutete Varmer den Exekutoren unten am Tor, die Brücke hinunter zu lassen. Der Meister war in der Nähe? Bald begannen die Ketten zu rasseln. Varmer schirmte die Augen ab und ließ seinen Blick über den Waldrand schweifen. Der Meister hatte sich persönlich in die Berge bemüht? Das sah ihm gar nicht ähnlich.
    Ein Lichtreflex blitzte am Waldrand auf. Die Maske des Meisters! Ein Dutzend Exekutoren waren bei ihm und ein Mann in Gelb. Und ein Mann mit langem weißen Haar – der verdammte Albino?
    Hundert Gedanken schossen Varmer durch den Kopf. Wollte Meister Chan seinen Gefangenen persönlich hier oben in der Burg in Empfang nehmen? Waren Exekutorentruppen dem Albino und seinem Haufen in den Rücken gefallen?
    »Alle mal herhören!«, tönte die Stimme seines Adjutanten unten im Hof. »Der Kampf ist zu Ende!«
    Varmer glaubte, nicht recht zu hören. »Hast du sie noch alle, Kleiner?« An der säugenden Frau vorbei stieg er auf die Leiter, um vom Wehrgang zu klettern. »Wann der Kampf zu Ende ist, bestimme ich, und sonst keiner!«
    Er sprang über die letzten Sprossen in den Burghof hinunter, schaukelte breitbeinig auf Hoss zu und schlug ihn mit seiner flachen Pranke ins Gesicht. Hoss stürzte rücklings aufs Pflaster. »Ich werd dir helfen, Kleiner!« Varmer bückte sich über seinen Adjutanten. »Hier einfach den großen Kristofluu heraushängen! Her mit der linken Wange!« Er packte ihn und holte aus. Im gleichen Augenblick durchzuckte von seinen Lenden aus ein schier unerträglicher Schmerz seinen Körper.
    ***
    Ein Mann in Gelb war aus dem Unterholz getänzelt. Er hatte gelächelt, als wären sie ein halbes Leben lang Nachbarn gewesen und hätten einander die Blumen gegossen. Vier schwarz Gekleidete hatten ihn begleitet. Die hatten ihre Gewehre an den Schultern hängen, als wären sie auf einem Spaziergang unterwegs. Hinter ihnen hatten vier Männer eine Sänfte zwischen den Bäumen abgesetzt.
    Rulfan hatte es nicht fassen können. Keiner unter seinen Waffenbrüdern hatte es fassen können: Exekutoren hatten sie eingekesselt, wollten aber nicht gegen sie kämpfen!
    Im letzten Moment war Rulfan zwischen sie und Steintrieb gesprungen. Der Technikfreak hätte sonst die Sänfte abgefackelt.
    Jetzt standen sie dicht am Waldrand einander gegenüber: Rulfan und der Kerl aus der Sänfte. Er trug eine goldene Lächelmaske und einen prachtvollen blauen Umhang mit Goldstickereien. »Es tut mir so leid«, sagte Meister Chan und der Lächler in Gelb nickte ununterbrochen. »Es tut mir so unendlich leid.«
    Als Meister Chan aus der Sänfte gestiegen war, hätte Rulfan ihm im ersten Aufruhr der Gefühle am liebsten die Kehle durchgeschnitten. Doch die bescheidene Freundlichkeit, mit der Chan auf ihn zukam, hatte seinem Hass nach und nach den Wind aus den Segeln genommen. Und nun schien sich alles aufzuklären.
    »Es gibt da einen Emporkömmling unter meinen Exekutoren, einen gewissen Varmer, und ich muss mir schon den Vorwurf gefallen lassen, ihn nicht früher durchschaut zu haben.« Meister Chan hob bedauernd beide Arme. »Es tut mir so leid.« Und der Mann in Gelb nickte und lächelte.
    »Varmer?« Rulfan spähte zwischen den Baumstämmen hindurch zum Burgtor. Der mit der Wakudamaske und seine Reiter warteten davor. »Der Anführer der verfluchten Bande, die meine Burg überfallen haben?«
    »Ein gewissenloser Bursche«, bestätigte Meister Chan seufzend. »Erst seit einer Woche ungefähr weiß ich, dass er mir meine Stellung in Eibrex streitig machen will.« Als wäre er erleichtert, schlug er die Hände über dem Kopf zusammen. »Was für ein
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