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302 - Wo der Wahnsinn regiert

302 - Wo der Wahnsinn regiert

Titel: 302 - Wo der Wahnsinn regiert
Autoren: Michelle Stern
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nickte. Xij zog ihren Nadler aus einer Seitentasche ihres Rucksacks. »Dann nimm den hier mit!«
    Matt sah die kleine, Nadeln verschießende Waffe skeptisch an. »Sagtest du nicht, die Betäubungspfeile wären aufgebraucht?«, fragte er.
    Xij zuckte die Schultern. »Wenn’s hart auf hart kommt: Besser er als du«, erwiderte sie lakonisch.
    Matt nahm die Waffe an. Wenigstens war sie beinahe lautlos. Ob er die vergifteten Nadeln benutzen würde, konnte er noch nicht abschätzen. Es war selten gut, seine Ankunft mit einem Mord zu beginnen; wer wusste denn schon, wer die Barbaren wirklich waren und warum sie hier lauerten.
    Dann schlich er sich an den Mann heran. Auf dessen dunkler ledriger Haut waren Schmucknarben und farbige Muster zu sehen, die wie geronnenes Blut wirkten. Ob er auf diese Weise mit Wudan oder anderen Göttern verbunden war?
    Matt schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. Das Einzige, was ihn im Moment interessierte, war, wie er den Mann möglichst lautlos außer Gefecht setzen konnte. Er packte einen unterarmdicken Ast, hob ihn so leise wie möglich vom Boden hoch und holte damit aus.
    Sein Gegner musste etwas gehört haben, denn er fuhr herum, riss seinen Knüppel hoch und stoppte Matts Schlag. Hart prallte Holz gegen Holz.
    Trotzdem war das Überraschungsmoment auf Matts Seite. Bevor der Barbar sich auf die Situation einstellen konnte, trat er ihm hart in die Kniekehle, dass die Kniescheibe knackte. Der Mann gab einen erstickten Laut von sich und sackte Matt entgegen. Dabei ließ er den Knüppel und somit die Deckung sinken. Matt schlug erneut zu und erwischte den Kopf seines Gegners. Das Geräusch erschien ihm noch lauter als vorher der kurze Schlagabtausch. Der Barbar verdrehte die Augen und sackte mit einem dumpfen Stöhnen seitlich ins Laub.
    Matt hielt den Ast schlagbereit auf ihn gerichtet, doch der Mann regte sich nicht mehr. Hoffentlich hatte er dessen Schläfe nicht zu hart getroffen. »Xij!«, rief er leise. »Xij, beeil dich, der Weg ist frei!«
    Aber Xij kam nicht. Er drehte sich um und sah zurück. Xij Hamlet war verschwunden.
    Matt spürte eine Angst, die sich wie ein Punch in seinen Magen bohrte. Schnell versicherte er sich, dass der reglos daliegende Barbar tatsächlich bewusstlos war, dann rannte er zu der Stelle zurück, an der Xij auf ihn warten sollte.
    Schon nach wenigen Metern sah er sie auf den Rücken am Boden liegen. Ihre Augen waren verdreht und nur noch das Weiße war darin zu sehen. Neben ihr lag der Kampfstock, auf den sie sich gestützt hatte.
    »Xij!« Er kniete sich zu ihr, packte sie an den Schultern und schüttelte sie. Nie war sie ihm so leicht und zerbrechlich vorgekommen wie in diesem Moment. Sie wirkte so zart wie ein Blatt, das der Wind mit sich riss.
    Er schob den Stab in die Halterung an ihrem Rucksack. »Xij, kannst du mich hören?« Sie reagierte nicht. Er konnte ihren Puls kaum noch spüren.
    Matt nahm sich nicht die Zeit, mit dem Fernglas nach weiteren Feinden Ausschau zu halten. Vergessen war auch der Vorsatz, erst einmal das Schloss zu observieren, bevor sie Kontakt mit den Bewohnern aufnahmen. Jetzt ging es um Minuten!
    Er packte Xij, schulterte sie und hastete in Richtung des gepflasterten Aufgangs. So schnell er konnte, lief er den Berg hinauf, der nun noch steiler anstieg und seine Waden belastete.
    Hinter einer scharfen Biegung sah er endlich bewaffnete Männer. Sie trugen braune Rüstungen aus Leder mit Metallplättchen. Sie hatten sich hinter einer steinernen Mauer verschanzt, an die Matt sich nicht erinnern konnte. Zu seiner Zeit war der Aufgang frei gewesen und man hatte auf diesem Wegstück zum roten Torhaus Souvenirs und überteuerte Getränke kaufen können.
    »Hey!«, rief er den Wachen auf Deutsch zu. »Helft mir! Ich muss zum Heiler!«
    Die Männer, die lange Bögen und Köcher voller Pfeile geschultert hatten, sahen ihn misstrauisch an, winkten aber einladend. Was dafür sprach, dass hier nicht selten Hilfesuchende auftauchten, die die Dienste des »Zauberers von Swaanstein« in Anspruch nehmen wollten.
    »Wir sind gleich drin«, murmelte Matt. »Halte durch, Xij, ja? Xij?«
    Die junge Frau auf seiner Schulter antwortete nicht. Sie hing so schlaff auf ihm, dass Matt angst und bange wurde. Schlug ihr Herz noch? Verlor er sie vielleicht auf den letzten Metern, so kurz vor dem Ziel?
    ***
    Er trug Xij bis an die Barrikade heran. Zwei der Wachen – Matt zählte insgesamt sieben – schufen einen schmalen Durchgang zwischen zwei
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