Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
301 - Libretto des Todes

301 - Libretto des Todes

Titel: 301 - Libretto des Todes
Autoren: Christian Schwarz
Vom Netzwerk:
schrecklich. Hättest du vielleicht etwas zum Essen da, mein edler Retter?«
    Matt grinste innerlich. Dieser Typ präsentierte seine offensichtliche Homosexualität so überzogen, dass er sich in ein Varieté seiner Zeit zurückversetzt fühlte – und davon hatte es in Berlin [3] nicht wenige gegeben. Ein Künstler durch und durch, ohne Zweifel. Aber nicht unsympathisch.
    »Wenn du Zeit hast, braten wir zusammen die Wisaau«, schlug er vor. »Dann kannst du mir auch gleich erzählen, was du so alleine hier draußen in der Wildnis suchst. Du bist ein Truveer, nicht wahr?«
    »Ein Truveer? Das glaube ich jetzt nicht, ich glaube es einfach nicht.« Gunnter sah Matt voller Empörung an. »Natürlich bin ich kein einfacher Truveer. Du stehst vielmehr einem Operateer gegenüber. Einem der besten und berühmtesten gleich noch dazu, wenn ich das in aller Bescheidenheit sagen darf.«
    Matt kratzte sich am Kopf. »Aha. Und was soll das sein... ein Operateer?«
    »Du musst wirklich von sehr weit her kommen, Maddrax. Lass uns erst mal die Wisaau braten, dann erzähle ich es dir.«
    Eine halbe Stunde später brutzelte das fachmännisch ausgenommene Wildtier über dem offenen Feuer. Gunnter hatte sich an der Zubereitung des Essens beteiligt, dichtete dabei aber ständig kleine Hymnen auf »den mächtigen PROTO mit stählerner Haut«, mit denen er Matt allmählich auf die Nerven ging.
    »Erzähl mal lieber«, forderte Matt den Operateer auf, »was du hier draußen getrieben hast.«
    Gunnter saß auf einem Stein und tupfte sich mit einem Tuch die Schläfen. »Du hast nicht zufällig Hautcreme in deinem Panzer? – Nein? Na, dann muss es halt ohne gehen... Also, um deinen Wissensdurst zu stillen: In Barreut...«
    Er brach ab. In der Luke bewegte sich etwas. Xij Hamlet wankte heraus und gesellte sich zu ihnen. Nach der gegenseitigen Vorstellung blieb sie bei den Männern sitzen, weil auch sie Hunger verspürte, zeigte sich aber sehr einsilbig. Ihr Blick ging in weite Ferne. Immer wieder zitterte sie, hustete aber nicht und verlor auch kein Blut durch die Nase. Matt war trotzdem weit davon entfernt, an eine Besserung zu glauben.
    »Nun gut, ich beginne nochmals«, sagte Gunnter, während Matt den Spieß drehte. »Wie ich schon sagte, gibt es in Barreut und Umgebung zahlreiche mehr oder minder begabte Operateere, wie die Dichter und Kompositeere von Operas genannt werden. Ich gehöre, wie bereits in aller Bescheidenheit erwähnt, zu den hochbegabten, ja ich darf sogar sagen, genialen Operateeren.« Gunnters Augen leuchteten. »Uns alle verbindet nichtsdestotrotz die Fähigkeit, Masique [4] und Libretto für eine Opera gleichermaßen ersinnen und in mehr oder weniger perfekten Einklang zu bringen. Die Agentuur Concerta Barreut kauft jedes Jahr die besten unserer Stücke ein und bietet sie den sieben Barreuter Opera-Häusern zur Aufführung an.« Gunnter kicherte. »Gute Beziehungen zu der Agentuur-Vorsteherin Franzeeska können da natürlich auch von Vorteil sein.«
    »Diese guten Beziehungen hast du natürlich«, vermutete Matt.
    »Natürlich, mein starker Retter. Ich habe sogar eine Menge ganz ausgezeichneter Beziehungen.« Gunnter senkte unwillkürlich die Stimme und beugte sich verschwörerisch zu Matt hinüber. »Sogar und vor allem zum Festspielmeister, wenn ich das sagen darf. Ich befürchte bloß, dass dir auch das nichts sagen wird.«
    »Du befürchtest richtig.«
    »Sei’s drum, Maddrax. Auf jeden Fall hat der Operateer, dessen Werke in der Saison am meisten aufgeführt werden, die große Ehre, die alljährlich stattfindenden Meister-Wagner-Festspiele im Haus auf dem Hellgrünen Hügel zu inszenieren. Macht er es gut, mehrt das seinen Ruhm ungeheuerlich und er braucht sich nie wieder Sorgen zu machen. Dann reißen sich nämlich fürderhin die Opera-Häuser um seine Werke.«
    »Hm. Ich verstehe. Da du ein so genialer Operateer bist, hast du die Festspiele sicher schon einige Male inszeniert.«
    »Nun, äh...« Gunnter pulte sich ungeniert mit dem Finger im Ohr und schnippte das geförderte Schmalz ins Feuer. »Es ist manchmal so, dass wirklich großes Genie den Normalsterblichen lange verborgen bleibt.«
    Matt grinste breit. »Wie oft also?«
    Gunnter stampfte zornig auf. »Eigentlich gibt es jedes Jahr nur einen wahren Würdigen und das bin ich. Aber bisher hatten sich die dunklen Mächte der Ignoranz gegen mich verschworen. Dieses Jahr jedoch wird Justitate mich nun endlich küssen. Meine überragende Opera ›Wahnfrieds
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher