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301 - Libretto des Todes

301 - Libretto des Todes

Titel: 301 - Libretto des Todes
Autoren: Christian Schwarz
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Schlösser gegeben hatte und vielleicht immer noch gab. Matt und Xij setzten alles auf diese eine Karte, denn eine Alternative gab es nicht. Waltemahr hatte seine wundersame Heilung nur um wenige Wochen überlebt, weil er sich mit seinem Boss anlegte, und konnte keine Hinweise mehr geben.
    Aber nicht nur Xijs Krankheit trieb Matt zur Eile an. Die langen Strecken, die er auf dem Pilotensitz verbringen musste, ließen ihm mehr Zeit zum Grübeln, als gut war. Immer wieder sah er Aruulas Schwert in Anns Rücken stecken, sah ihr bleiches Gesicht, als sie in seinen Armen gestorben war.
    Und ich habe ihr nicht helfen können. Ich war doch ihr Dad, sie hat mir vertraut...
    Es hatte ihm das Herz gebrochen. Und neben all der Trauer eine fast irrationale Wut auf Aruula hochkochen lassen. Da konnte sie noch so oft beteuern, es sei ein tragischer Unfall gewesen. War sie denn nicht immer schon eifersüchtig auf Ann gewesen? Weil er, Matt Drax, ihren gemeinsamen Sohn Daa’tan in Notwehr hatte töten müssen?
    Im Grunde wusste Matt, dass dem nicht so war – aber es war so einfach, den Schmerz zu verarbeiten, indem man jemandem die Schuld zuwies. Nach der Tat – ob Unfall oder nicht – hatte er kein Wort mehr mit Aruula wechseln wollen und sie auch nicht aufgehalten, als sie mit ihren Schwestern zu den Dreizehn Inseln aufbrach, ihrer alten Heimat.
    Ob er sie je wiedersehen würde?
    Ob sie sich jemals würden aussprechen können?
    Matt fühlte, wie sich sein Magen verkrampfte und sein klares Denken unter diesem neuerlichen Schmerz für einen Moment aussetzte. Am liebsten hätte er um sich geschlagen und seine Wut hinausgebrüllt. Stattdessen hämmerte er ein paarmal mit der linken Faust so stark an die Seitenwand der Computerkonsole neben sich, dass einige Leuchtdioden zu flackern begannen. Matt fluchte und drückte das Gaspedal mit einem ungestümen Ruck erneut ganz hinunter.
    PROTO – so der Spitzname für den »Prototyp XP-1«, summte für einen Moment wie ein zorniger Hornissenschwarm, als die Energieversorgung den zusätzlich benötigten Strom aus den Trilithiumkristallen holte. Über eine weite Wiese raste der Panzer auf einen Wald zu. Auf dem Monitor sah Matt eine Kolonie Gerule, die es sich direkt vor ihm auf der Wiese bequem gemacht hatten und die Abendsonne genossen. Für einen Moment verspürte er den Drang, mitten durch die Schar der hasenähnlichen Raubtiere zu preschen und möglichst viele von ihnen plattzumachen. Doch als er sie nach allen Seiten auseinanderspritzen und flüchten sah, kam er wieder zu sich. Er keuchte, schüttelte kurz den Kopf und bremste PROTO herunter.
    Was mache ich da? Mensch, Matt, komm wieder zu dir! Was geschehen ist, ist geschehen, und das Leben muss weitergehen. Immer weiter...
    ***
    Langsam fuhr Matt am Waldrand entlang, um einen Weg weiter nach Süden zu finden. Er hatte sich nun wieder vollständig unter Kontrolle und schwor sich, solche Ausraster nach Möglichkeit künftig zu vermeiden. Wenn er sich nicht täuschte, befand er sich bereits im ehemaligen Bayern, vielleicht auf der Höhe von Hof oder Bayreuth. Es wurde Zeit, sich nach einem geeigneten Platz umzusehen, wo er PROTO abstellen und sich für ein paar Stunden aufs Ohr hauen konnte.
    Plötzlich runzelte Matt die Stirn. Die Akustiksensoren an der Außenseite des Panzers übertrugen ein seltsames Geräusch, das aus dem Wald zu kommen schien. Es hörte sich an wie eine Art... Singen?
    Matt konnte es kaum glauben. Und doch drang da etwas aus den Lautsprechern, das sich bei genauerem Hinhören wie der Gesang einer kräftigen menschlichen Stimme anhörte. Aber das konnte täuschen. Vielleicht gab es hier ja Tiere, die zum Verwechseln ähnliche Laute ausstießen.
    Immerhin, Matts Neugierde war geweckt. Der Mann aus der Vergangenheit stoppte den Amphibienpanzer, nahm den Driller an sich, schaute kurz nach der schlafenden Xij Hamlet und verließ das Fahrzeug durch die Hauptluke am Heck. Dann stand er mit schussbereiter Waffe vor einer uralten riesigen Eiche und horchte in den Wald hinein. Jetzt war nichts mehr zu hören. Doch im nächsten Moment setzte das Geräusch unvermittelt wieder ein!
    Matt lauschte eine halbe Minute und eine gewisse Ergriffenheit machte sich in ihm breit. Kein Zweifel, dort vor ihm im Wald sang ein Mann. Ein Truveer, wie die Sänger dieser Zeit genannt wurden. Mehr noch: in Operntenor in der Wildnis! Er schien zu üben, denn er wiederholte ständig die gleiche Tonfolge. Matt glaubte sogar leichte Variationen
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