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300 - Unter Mutanten

300 - Unter Mutanten

Titel: 300 - Unter Mutanten
Autoren: Oliver Fröhlich
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habe.«
    »Was hast du eigentlich in der Zeit nach deiner Flucht gemacht?«, fragte Matt.
    Xij zuckte zusammen. »Ich…«, begann sie.
    Gute Frage. Was hatte sie denn getan? Wie viel Zeit war überhaupt vergangen seit Robuurs Aufbruch ins Land der Skothen, seit der Ermordung ihres Vaters? Für sie fühlte es sich wie höchstens anderthalb Jahre an, aber das konnte unmöglich sein. Schließlich war sie damals gerade mal zwölf gewesen.
    »Ich… ich kann mich nicht erinnern«, sagte sie schließlich. Sie schwang sich von der Pritsche, eilte zum Heckschott und schlug auf den Türöffner. Während sich die Klappe absenkte, stützte sie sich auf den Sattel des bordeigenen Motorrads, das in diesem Bereich des Panzers seinen Platz hatte. Sie atmete tief durch, versuchte die Benommenheit abzuschütteln, doch es gelang ihr nicht.
    Draußen herrschte inzwischen helllichter Tag. Sie lief das schräge Schott hinab, sank auf die Knie und würgte einen Schwall Magensäure hoch.
    Wohin hatte sie der Weg nach ihrer Flucht geführt? Sie wusste es nicht. Zwischen damals und ungefähr einem halben Jahr, bevor sie Matt und Aruula kennengelernt hatte, klaffte eine Lücke. Was es noch schlimmer machte: Sie war sich dieser Lücke nie bewusst gewesen. Bis heute. Bis Matt sie danach gefragt hatte.
    Natürlich konnte sie sich auch an viele Zeiträume ihrer früheren Inkarnationen nicht erinnern, aber warum erstreckten sich diese Gedächtnislöcher jetzt auch auf ihr derzeitiges Leben? Nein, das eine hatte mit dem anderen nichts zu tun. Das spürte sie.
    Aber welchen Grund gab es dann? Was war in dieser Zeit geschehen? Wie konnte sie die Erinnerung daran zurückholen? Wollte sie das überhaupt?
    Matts Hand legte sich ihr auf die Schulter. »Ich habe einen Verdacht.«
    Xij atmete noch ein paarmal tief durch, dann entspannte sie sich endlich, wandte sich dem Mann aus der Vergangenheit zu und sah in sein ernstes Gesicht. Das aufmunternde Lächeln war erloschen. Stattdessen erkannte sie Sorge in seiner Miene.
    »Ich hätte es schon viel eher erkennen müssen«, fuhr er fort, »aber ich hatte zu viel mit mir selbst zu tun, um auf etwas anderes zu achten. Ich war zu egoistisch…«
    Nein , flehte sie innerlich. Sag es nicht. Sag es bitte nicht.
    »Wie auch immer. Ich kann mir deinen Zustand nur auf eine Weise vernünftig erklären.«
    Sag - es - nicht!
    »Du musst in Tschernobyl verstrahlt worden sein.«
    Eine Hitzewelle breitete sich in ihr aus.
    »Ich verstehe nicht, wie es dazu kommen konnte. Eigentlich hätte die Immunisierung durch den Daa'muren-Kristall dich schützen müssen. [4] Vielleicht, weil du den radioaktiven Staub eingeatmet hast, als der Kristall geborsten ist. Womöglich auch…«
    »Halt den Mund!« Sie brach in Tränen aus. Als diese versiegten, schmiegte sie das Gesicht an Maddrax' Brust. »Ich glaube, du hast recht.« Jetzt, wo Matt den gleichen Verdacht hegte, wollte sie ihr Geständnis möglichst schnell loswerden. »Zuerst war ich mir nicht sicher«, fuhr sie fort. »Eben wegen der Immunisierung. Später wollte ich dich nicht damit belasten. Anns Tod, die Trennung von Aruula… wie hätte ich dich da mit meinen Problemen…«
    Matt packte sie an den Schultern und starrte sie an. »Bist du denn von allen guten Geistern verlassen? Du hättest es mir sagen müssen!«
    Xij riss sich los, stand auf und stemmte die Hände in die Hüften. »Und was hätte das geändert? Oh, ich bin schon ganz gespannt, deinen Rat zu hören. Wir könnten mir in einer Apotheke Jod-Präparate besorgen. Vielleicht finden wir auch eine Klinik, in der ich mich einer Stammzellentransplantation unterziehen kann. Womöglich finde ich sogar einen Knochenmarkspender. Glotz nicht so blöd! In einem früheren Leben war ich Bundeswehrarzt. Hast du denn vergessen, wo wir sind? Wann wir sind?«
    »Du kannst dich doch nicht so einfach dem Tod ergeben, Xij! Du musst kämpfen, wenn du nicht sterben willst!«
    Sie seufzte. »Ich sterbe doch gar nicht richtig. Natürlich hab ich mich an diesen Körper gewöhnt. Ich würde ihn vermissen. Ich würde dich vermissen. Trotzdem ist das Ende für mich noch nicht erreicht. Ich würde woanders wiedergeboren werden.«
    »Bist du dir da auch sicher? Was, wenn du diese Fähigkeit seit der Rückkehr deiner verlorenen Geister gar nicht mehr besitzt? Oder wenn du sie in dem Augenblick eingebüßt hast, in dem du dir ihrer bewusst geworden bist?«
    Für eine Sekunde war sie wie vor den Kopf geschlagen. Daran hatte sie noch gar nicht
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