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300 - Unter Mutanten

300 - Unter Mutanten

Titel: 300 - Unter Mutanten
Autoren: Oliver Fröhlich
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Meinung recht gegeben, schon alleine deshalb, weil er ihr Vater war und sie ihn heiß und innig liebte. Ihren Oheim Friedjoff hingegen hielt sie für einen überheblichen Arsch.
    Es gab nur eine Sache, die sie Papa übelnahm. Nämlich, dass er ihre Mutter, die eigentlich Soontje hieß, stets mit dem Kosenamen »Xanthippe« belegt hatte - ohne ihr zu sagen, dass er damit ihr zänkisches Wesen aufs Korn nahm. Der Name gefiel der Unwissenden indes so gut, dass sie ihre Tochter darauf taufte. Tja, Pech gehabt.
    Xanthippes Lächeln erlosch, als ihre Gedanken in die Gegenwart zurückkehrten.
    Fiite Begger war Kauffahrer gewesen - und ein erfolgreicher, wohlhabender obendrein. Xanthippe wusste nicht, wie viele Schiffe er besaß, aber es waren einige. Auch mit den Barbaren aus der Oststadt machte er so manches Geschäft.
    Erwachsene verfügten über die seltsame Neigung, Kinder zu ignorieren. Sie sprachen offen über Dinge, von denen sie glaubten, dass die Kleinen sie ohnehin nicht verstanden - wenn sie überhaupt zuhörten. Xanthippe hatte immer zugehört. So wusste sie auch, dass Papa die Barbaren am liebsten aus Ambuur vertrieben hätte. Selbst wenn ihm dadurch einige Geschäfte durch die Lappen gegangen wären. Sein Bruder Friedjoff jedoch war strikt dagegen. Auch wenn er mit der Kauffahrerei nichts zu tun hatte, profitierte er doch indirekt davon. Er war ein mächtiger Krieger, der für so manchen Raubzug seine Mannen aus den verlausten Oststädtern rekrutierte. Das wäre ihm nicht mehr möglich gewesen, wenn Papa sie aus der Stadt gejagt hätte.
    Sie waren darüber häufig in Streit geraten und immer hatte ihr Vater nachgegeben. Doch er hatte den Barbaren nie getraut! Zu Recht, wie sich leider herausstellte.
    Vor zwei Wochen war er zum Hafen gegangen, um für Mutter von einem der Schiffe einen Schinken und eine Flasche Fuusel zu holen, die sie sich von einer Fahrt hatte mitbringen lassen. Er kehrte nie nach Hause zurück. Man fand seine Leiche mit aufgeschlitzter Kehle in einer Seitengasse.
    Sofort schnappte sich Friedjoff einige von Fiites Männern und durchkämmte mit ihnen ganz Ambuur. Und sie wurden fündig: In einer Ruine der Oststadt entdeckten sie einen schlafenden Barbaren. Betrunken, eine leere Fuuselflasche und einen halb verspeisten Schinken neben sich. Ein blutverschmiertes Messer steckte im Bund seiner Hose. Auf dem Kopf trug er Vaters breitkrempigen Hut.
    Man warf ihn in den Kerker, machte ihm einen - äußerst kurzen! - Prozess und verurteilte ihn zum Tod. Bei seiner Festnahme hatte er sich so heftig gewehrt, dass er sich während der Schlägerei die Zunge abbiss. Da er nun nicht mehr sprechen konnte, war es ihm auch nicht möglich, sich beim Prozess zu verteidigen. Aber das war auch unnötig, die Beweise waren eindeutig genug.
    In ein paar Tagen würden sie ihn aufhängen. Xanthippe wollte in der ersten Reihe stehen und den Mann bespucken, der ihr den Vater genommen hatte. Sie wollte sehen, wie er strampelte, wie er erstickte, wie er…
    Im Baderaum nebenan ging die Tür auf und wieder zu.
    Nanu? Wer kam denn so spät noch in die Waschräume der Bediensteten? Xanthippe hatte sich mit Bedacht an einen Ort zurückgezogen, an dem sich zu dieser Zeit keiner der Leute ihres Vaters mehr aufhalten durfte. Außerdem war heute ohnehin kein Badetag. Das Wasser wurde erst übermorgen erhitzt. Seit Mutter und Oheim Friedjoff die Geschäfte übernommen hatten, gingen sie viel sparsamer mit den Annehmlichkeiten für die Untergebenen um. Xanthippe war sich nicht einmal sicher, ob seit Papas Tod das Badewasser schon erneuert worden war.
    Sie stand auf, schlich zur Verbindungstür zwischen den Baderäumen - und sah Mama. Soontje Begger hielt einen Kerzenständer in der Hand. Im flackernden Licht der Flamme erkannte Xanthippe die roten Wangen ihrer Mutter. Hatte sie sich auch hierher zurückgezogen, um alleine zu sein? Aber warum ging sie dann nicht in ihre Gemächer?
    Xanthippe wollte sie gerade ansprechen, da öffnete sich die Tür erneut und Friedjoff trat ein, in der Hand eine Laterne. Ein Mann mit verquollenen Äuglein und dünnem Haar, der zur Dicklichkeit neigte und ganz gewiss nicht das Bild abgab, das man sich von einem erfolgreichen Krieger und Frauenhelden machte. Und dennoch war er genau das.
    Instinktiv zog sich Xanthippe in die Dunkelheit zurück.
    Sie traute ihren Augen kaum, als sie sah, wie die beiden ihre Lichter abstellten und sich aufeinander stürzten wie hungrige Raubtiere. Ohne große Vorrede riss
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