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30 Sekunden Verzögerung

30 Sekunden Verzögerung

Titel: 30 Sekunden Verzögerung
Autoren: Robert Moore Williams
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als gehorchten seine Beine einem fremden Willen, setzte sich Zen bergan in Bewegung. Erst nach einem Dutzend Schritte brachte ihn ein Blick auf den Dosimeter an seinem Handgelenk in die Wirklichkeit zurück.
    „Zum Teufel mit der Radioaktivität!“ knurrte er in sich hinein. „Ich gehe weiter und hole das Mädchen dort oben weg. Wie kommt sie dazu, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, während ich Feigling weiter in Deckung bleibe!“
    Mit Riesenschritten stieg er weiter bergan. Als er den Kopf hob, sah er, daß Nedra ihm entgegenlief und ihm winkte, umzukehren.
    „Oberst! Sie dürfen hier nicht heraufkommen!“
    „Wer sagt das? Ich komme!“ gab er zurück und stieg weiter.
    „Nein!“
    Als er nicht stehenblieb, lief sie schneller. Der weißhaarige Fremde mit dem zerfurchten Gesicht blieb neben ihr. Als sie Zen erreichte, packte sie ihn beim Arm, drehte ihn um seine Längsachse und schob ihn vor sich her. „Sie dürfen sich hier nicht aufhalten!“ sagte sie atemlos.
    „Wollen Sie mir Befehle geben?“ fragte Zen aufsässig, obwohl ihm Nedras Besorgnis durchaus nicht unangenehm war.
    „Wenn Sie mir eine Einmischung gestatten, Oberst, so bin ich der Ansicht, daß Nedra Ihnen lediglich das Leben retten will“, schaltete sich der Fremde ein. Seine Stimme klang sanft und musikalisch und war doch von einer Eindringlichkeit, der Zen sich nur schwer entziehen konnte.
    „Und wie steht es mit ihrem Leben?“ entgegnete Zen, auf Nedra deutend.
    „Ich gehe wieder hinunter, Oberst“, sagte das Mädchen schnell. „Sie haben einen Verbandsplatz errichtet, auf dem ich gebraucht werde.“
    „Sie werden zuerst Hilfe nötig haben“, bemerkte Zen sarkastisch.
    Nedra streifte seine Manschette hoch und blickte auf den Dosimeter.
    „Sie müssen sofort nach unten!“ sagte sie fest, und Zen sah, daß die Nadel noch immer weit über der roten Marke stand. „Kommen Sie, Oberst, seien Sie nicht so halsstarrig!“ Sie schob ihren Arm in den seinen und zerrte Zen über den geröllbedeckten Pfad mit sich. Zen versuchte Widerstand zu leisten, aber Nedra dachte nicht daran, sich aus seinen Armen zu lösen.
    „Ich möchte Sie gern mit einem meiner Freunde bekanntmachen“, fuhr sie schnell fort. „Oberst Zen, das ist Sam West. Wir können uns unterhalten, dann wird uns der Weg zum Verbandsplatz nicht so lang.“
    „Freut mich, Sie kennenzulernen, Sir“, lächelte West und schüttelte Zens Hand mit festem Druck.
    „Ganz auf meiner Seite, Mr. West. Leben Sie in dieser Gegend?“
    „Dort drüben“, sagte der Mann, während eine andeutende Kopfbewegung in die Richtung hinter ihm wies. „Ich war gerade auf dem Weg, um dieses ungastliche Gebiet zu verlassen, als ich Nedra traf.“ Er runzelte die Stirn, als Zen erneut stehenblieb und fuhr fort: „Ich möchte diesen verdammten Bergen so schnell wie möglich den Rücken kehren, und Sie halten mich auf.“
    „Warum gehen Sie nicht weiter? Ich hindere Sie nicht. Auch Sie nicht, Nedra!“
    „Seien Sie doch vernünftig, Kurt“, bat das Mädchen.
    „Gut. Unter einer Bedingung. Warum sind Sie überhaupt hier heraufgestiegen? Sie wußten doch, daß das Gebiet verseucht war.“
    „Ich – ich habe die Nerven verloren“, stammelte Nedra. „Meine Gefühle gingen wieder einmal mit mir durch. Ich bin Krankenschwester, da waren Menschen, die mich brauchten. Das ist alles. Und nun kommen Sie mit uns, nicht wahr?“
    „Was hat Sie dazu gebracht, den Kopf zu verlieren?“
    „Alles was geschah. Ich bin zum erstenmal in die Nähe einer detonierenden Bombe geraten. Die Schreie der Verwundeten taten ein übriges. Konnte ich als Krankenschwester anders handeln?“
    „Ich glaube Ihnen kein Wort, Nedra“, sagte er hart. „Ich habe Sie in der Höhle beobachtet. Sie dachten, keine Sekunde daran, die Nerven zu verlieren.“
    Sie zerrte an seinem Arm, um ihn zum Weitergehen zu bewegen. „Bitte, Kurt, kommen Sie! Ich werde Ihnen unten alles erklären. Zwingen Sie mich aber nicht, noch länger hier zu bleiben.“
    Zögernd gab Zen nach. In den blauen Augen Nedras zeigte sich Erleichterung, und auch die finstere Miene Wests hellte sich auf. Wie eine Vision überkam Zen der Gedanke, daß er dieses hagere, wie aus Erz gehauene Gesicht schon einmal gesehen hatte, aber es gelang ihm nicht, sich der Zeit und der Gelegenheit zu entsinnen. Schweigend setzten sie den Abstieg fort, und als, sie am Verbandsplatz ankamen, brachte Zen das Mädchen sogleich an den Wagen, der das Gerät zur Feststellung der
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