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295 - Dunkle Wasser

295 - Dunkle Wasser

Titel: 295 - Dunkle Wasser
Autoren: Michelle Stern
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sichtlich. Bei jedem anderen Hydriten hätte der vernarbte Kämpfer mit dem düsteren Blick zu einer harschen Antwort angesetzt, aber der Riese mit den giftgelben Bernsteinaugen und dem fächerförmigen Scheitelkamm schien ihm Furcht einzuflößen. Allein sein Oberarmmuskel war breit wie Mer'ols Schenkel. »Ihr kennt euch mit Bionetik aus, Besucher?«, klackte er stattdessen.
    Der Hydrit senkte den schwarzgrauen Kamm. »O ja, ein wenig durchaus. Seid Ihr der Anführer dieser Stadt?«
    Kark'tys klackte zustimmend, und Mer'ol erschien es fast trotzig. Er spürte eine starke Anziehung zu dem übermächtigen Hydriten, die ihn alarmierte. Es war, als würde der Fremde ihn mental beeinflussen. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, sich bei Neuankömmlingen zurückzuhalten, schwamm er vor.
    »Wie heißt Ihr?«, fragte er fordernd.
    Der Hydrit sah ihn aus den Bernsteinaugen an, als könnte er in seine Seele blicken. »Meine Untergebenen nennen mich Herr . Einige nennen mich Tor'is, und du«, sein Gesicht wirkte vertrauenerweckend, »du kannst mich Freund nennen, denn in dir erkenne ich einen Hydriten, der nicht nur die Kraft seiner Muskeln zu nutzen weiß. Wie heißt du?«
    Kark'tys sah Mer'ol an, als wolle er ihn am liebsten mit seinen Armdornen durchbohren.
    »Mer'ol«, klackte er hastig, ehe Kark'tys sich einmischen konnte. »Wir könnten Hilfe beim Aufbau der Stadt gebrauchen. Leider bin ich der Einzige, der noch Pläne entwirft.« Er fühlte sich seltsam benommen. So hatte er sich zuletzt in den Armen seiner Geliebten gefühlt, die ihn verlassen hatte, nachdem die Ereignisse vom Kratersee ihn nicht losließen. »Freund«, setzte er hinzu, ehe er selbst wusste, was er sagte. Es ging leicht wie eine Luftblase über seine Lippen.
    Der große Hydrit zeigte seine spitzen Zähne. »Bring mich in die Stadt und zeig mir alles.« Er schwamm voraus.
    Mer'ol erwartete einen Protest von Kark'tys, doch statt sich aufzuregen und den frechen Neuankömmling zum Kampf zu fordern, machte er ihnen ehrerbietig Platz, damit sie auf direktem Weg in die Stadt schwimmen konnten.
    Vielleicht , dachte Mer'ol, noch immer mit einem Kribbeln im Magen, vielleicht kommt nun endlich eine bessere Zeit und mein Traum erfüllt sich doch noch.
    ***
    Mer'ol folgte Tor'is' Schwimmzügen in den ersten Tagen, wohin sich der Größere auch wandte. Sein »Freund« war geschickt und gebildet. Er kannte sich tatsächlich mit Bionetik aus und verfügte über ein Wissen, als sei er weit mehr als ein Leben alt. Wenn Mer'ol es nicht besser gewusst hätte, hätte er ihn für einen Geistwanderer gehalten, der schon seit Jahrhunderten existierte. Aber unter den Mar'os-Jüngern gab es keine Geistwanderer.
    Sie nahmen den Bau der Stadt wieder auf und planten neue Gebäude. Seltsamerweise kam ihnen niemand in die Quere. Kark'tys ließ sie gewähren und hielt sich zurück. Es war, als würde ihn Tor'is' natürliche Autorität in die Schranken weisen. Konnte das normal sein?
    »Du wirkst nachdenklich«, klackte sein Freund, als sie zusammen im bionetischen Labor standen, wo er und Quesra'nol noch vor wenigen Wochen eine bionetische Seespinne hatten bauen müssen, mit der Mutter sich auf die Suche nach ihrem Ursprung machen wollte. Mutter war ein denkendes Wesen, mit der furchtbaren Gabe, allen, die es berührten, die Lebensenergie zu rauben und sie in Stein zu verwandeln.
    Zum Glück war der Plan des Siliziumwesens gescheitert. Quesra'nol hatte Mutter überlistet, sie in einem besonderen bionetischen Behältnis eingeschlossen und an einem unbekannten Ort versteckt. Inzwischen musste sie dank der Unterversorgung mit Lebensenergie längst wieder in einer todesähnlichen Starre liegen.
    Mer'ol sah in die schimmernden Augen seines Freundes - und hatte nicht zum ersten Mal einen Gedanken im Hinterkopf, den er nicht greifen konnte. Er lag wie hinter einer dicken Eisschicht verborgen.
    Es war der Name. Es gab da einen Namen, der schon früher oft gefallen war, besonders in Verbindung mit Sar'kir, aber er kam nicht darauf. Jedes Mal, wenn er geistig danach griff, rutschte der Gedanke wie schlüpfrige Algen durch seine Flossenfinger.
    »Wer bist du?«, fragte er klackend. »Wie kommt es, dass du in diese Stadt schwimmst und sich dir jedes Muscheltor öffnet?«
    Der andere klackte erheitert. »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich dich für einen Geistwanderer halten, Mer'ol, so misstrauisch wie du bist. Du bist ein Freund und ehemaliger Schüler des Wissenschaftlers Quart'ol.
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