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295 - Dunkle Wasser

295 - Dunkle Wasser

Titel: 295 - Dunkle Wasser
Autoren: Michelle Stern
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neuen Herrn frenetisch zu feiern und ihm zu huldigen. Bisher war das Mer'ol zwar ungewöhnlich, aber nicht besorgniserregend erschienen. Mit dem Namen Dry'tor im Gehörgang veränderte sich seine Wahrnehmung. Er starrte auf eine nackte Hydritin, die sich in Trance zahlreiche Schnittwunden zugefügt hatte. Rotes Wasser wallte wie Wolkenfetzen um sie her.
    Mehrere tote Fische trieben vor der Grotte. Die meisten waren bis auf das Skelett abgenagt worden. Die Fischfresserei hatte stark zugenommen. Auch das war bedenklich. Warum war ihm das zuvor nicht aufgefallen?
    »Er beeinflusst uns«, brachte er hervor.
    Armant'la sah ihn zornig an. »Du fängst also auch noch an, Algenfresser? Ich dachte, du seist der Einzige, der in dieser Stadt einen Kopf auf dem Hals sitzen hat.«
    »Siehst du denn nicht die Veränderungen?« Er zeigte auf die Fischgräten und die treibenden Hydriten. »Wir benehmen uns anders als zuvor. Alle. Etwas Unheimliches geht vor.«
    Sie sah ihn mitleidig an. »Quastenkopf, du hast noch nie richtig dazugehört. Vielleicht ist es besser, wenn du verschwindest. Geh nach Hykton und verschwende nicht unsere Zeit.« Sie wandte sich von ihm ab und schwamm davon. Ihre beiden Begleiter folgten ihr.
    Mer'ol sah ihnen nach und spürte zum ersten Mal die bedrohliche Stimmung in der Stadt. Es war, als wäre er aus einem Traum erwacht. Er erinnerte sich an ein ähnliches Gefühl. Erst vor Kurzem hatte er geglaubt, aus einer Trance erwacht zu sein, dabei war er lediglich in eine neue Trance geglitten. Er musste umgehend handeln, bevor sein Freund ihn fand und ihn erneut beeinflusste. Am besten zeichnete er seine Gedanken auf einem Kristall auf, damit er sie nachlesen konnte.
    Er zog sich in seine Wohngrotte zurück und sammelte seine Eindrücke. Das Ergebnis war erschreckend. Wieder und wieder las er die Liste der Veränderungen bis hin zu den Orgien, der Fischfresserei und der Verehrung von Tor'is, den alle außer ihm »Herr« nannten. Selbst Kark'tys hatte sich ihm inzwischen unterworfen und tat, was immer Tor'is befahl.
    »Die gefangenen Pilger«, klackte er laut, als er auf den letzten Punkt der Liste mit den bedenklichen Veränderungen starrte. »Tor'is hat behauptet, sich offiziell bei Hykton für die Pilger zu entschuldigen, die Sar'kir gefangennehmen ließ. Ich sollte die Botschaft überbringen. Aber ich habe es nie getan. Stattdessen werde ich von einer Flut zur nächsten vertröstet.«
    Das war nicht alles. In diesem klaren Moment erkannte er, wie konträr die Taten des vermeintlichen Freundes zu seinen Worten waren. Er sprach von Frieden und hatte zehn neue Bionetik-Koppeln für Kampffische gezüchtet. Er redete von den wichtigen Kontakten zu Hykton und fand immer wieder einen Grund, Mer'ol bei sich zu behalten, anstatt ihn loszuschicken. Auch den geforderten Vertrag Hyktons, der die künftige Entführung von Hydriten unterbinden sollte, war noch nicht unterzeichnet, ebenso wenig wie Waffen und Kriegsfische abgebaut wurden. Das Gegenteil war der Fall. Jeden Zyklus wurden neue Waffen produziert. Es waren ganze Höhlen geräumt worden, in denen sie lagerten. Neu-Martok'shimre bereitete sich auf einen Krieg vor.
    Er spielt mit mir , erkannte Mer'ol. Er hält mich hin, denn solange ich keine Botschaft nach Hykton bringe, dass in Neu-Martok'shimre Gefahr droht, glaubt Quart'ol, es sei alles in Ordnung. Ich bin der Spion Hyktons und mich hat er sich mental gekauft .
    Ein bohrender Kopfschmerz raste durch seine Stirn und pulsierte in seinem Schädel. Er durfte sich dem großen Hydriten nicht mehr nähern, so sehr es ihn auch in seine Nähe zog. Er musste handeln, bevor er wieder in einer Trance versank.
    Sorgsam verstaute er den Kristall unter seinem Schulterschutz und schwamm hinaus. Bevor er aufbrach, wollte er noch etwas erledigen.
    Ihm war aufgefallen, dass Mar'dyk, einer der Vertrauten des Freundes , bereits kurz nach der Ankunft wieder verschwunden war. Er hatte hierfür eine der wenigen bionetischen Quallen benutzt, die Neu-Martok'shimre zur Verfügung standen und mit denen einst Menschenopfer für Mutter vom Land in die Unterwasserstadt gebracht worden waren.
    Mer'ol hatte sich schon vor Tagen in einem klaren Moment vorgenommen, die Qualle zu überprüfen. Vielleicht fand er heraus, wohin sie geschwommen war. Eigentlich müssten im bionetischen System noch Aufzeichnungen darüber vorhanden sein. Sie konnten ihm einen Hinweis geben, woher der Freund gekommen war.
    Er schwamm entschlossen los und nahm sich
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