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294 - Der Keller

294 - Der Keller

Titel: 294 - Der Keller
Autoren: Manfred Weinland
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Geheimen Oberen ihn umstanden.
    Ihre Münder bewegten sich, als wären es Puppen, die an Fäden gelenkt wurden. Was die Münder sagten, schien aus etwas ganz anderem zu kommen, gar nicht aus ihnen selbst.
    »Du bist hier, um etwas völlig Neues zu erschaffen.«
    »Du wirst das Erste seiner Art zur Welt bringen. Du weißt es nicht, aber du bist dazu in der Lage.«
    »Du wirst Vater und Mutter in einem sein. Erzeuger und Austräger der Brut.«
    Von allen Seiten drangen unterschiedliche Stimmen auf ihn ein, und doch sprachen sie alle nur aus, was ihnen in den Mund gelegt wurde. Im Traum blickte Jurgis hinter den Schleier, der die wahre Macht verhüllte. Im Traum folgten die Augen seines Geistes dem grünen Licht bis in einen Raum, wo das war, was das Licht verströmte.
    Er hatte das Gefühl, davon aufgesogen zu werden.
    Aber auch, dass es ihn nicht so vollständig in seine Gewalt bekam wie beabsichtigt.
    Nicht mehr lange, dann würde es ihn -
    Jurgis wachte schweißgebadet auf.
    Ein Mann, der ihm bekannt vorkam, ohne dass er ihn wirklich zuordnen konnte, kam in die türlose Kammer. Er hielt einen Holzeimer in der Hand und stellte ihn neben Jurgis ab.
    »Hier! Nimm! Ich zeige dir, was du damit machen sollst. Irgendetwas stimmt mit dir nicht. Sie wollen dich erst noch beobachten.«
    Jurgis richtete sich benommen auf. »Wer? Wer will mich…«
    »Still!« Der Mann wies auf den Eimer, in dem etwas Körnerähnliches war. »Nimm das und komm!«
    Er führte Jurgis in einen großen Raum, in dem es wie in einem Stall stank. Das hatte seinen Grund, wie er bemerkte, denn hier reihte sich Käfig an Käfig, und die meisten Kreaturen hinter den Gittern hatte Jurgis noch nie erblickt.
    »Was sind das für… Monster?«
    »Du hast keine Fragen zu stellen! Füttere sie. Sie bekommen alle das Gleiche, und keine kriegt mehr als eine hohle Hand voll!«
    »Kannst du das nicht selber machen?«
    »Du wirst es tun. Und zwar von nun an jeden Tag. Es gibt noch andere Räume mit noch mehr Käfigen.«
    Jurgis hatte das sichere Gefühl, dass der Fremde sich daran ergötzte, ihm diese Arbeit zu erklären. Wahrscheinlich war vorher er dafür zuständig gewesen.
    Schon am ersten Tag fiel ihm eine Kreatur vor allen anderen auf. Sie wirkte nicht so entstellt wie die meisten, reichte Jurgis aufrecht stehend bis zur Brust und hatte eine zerknittert wirkende Haut, die es uralt erscheinen ließen, obwohl die Augen in dem Gesicht ganz jung und klug zu ihm heraus schauten, als er Essen in den Napf füllte, der an der Innenseite des Gitters befestigt war.
    Als Jurgis gerade weitergehen wollte, sagte das Wesen: »Ich bin Schildkröte. Und du?«
    Jurgis war so erschrocken, dass ihm der Eimer aus der Hand fiel.
    Der Mann hinter ihm, der alles überwachte, fluchte. »Lass dich von dem Ding nicht einwickeln. Es hat es auch bei mir versucht. Aber bald wird es im Labor landen, und dann ist es vorbei mit seinem Gehabe!«
    Jurgis musste zum nächsten Käfig, obwohl er die Augen nicht von »Schildkröte« nehmen konnte.
    Doch am nächsten Tag durfte er die Arbeit ohne Aufpasser verrichten. Und von da an wurde Schildkröte seine wichtigste Bezugsperson in den Katakomben unter Tah Ran.
    Schildkröte war nicht nur kein Mensch, er war auch sonst unglaublich. Offenbar verfügte er über eine besondere Fähigkeit, die es ihm ermöglichte, innerhalb von Sekunden die Sprache seines Gegenübers zu erlernen. So hatte er es auch bei Jurgis getan.
    In den folgenden Tagen änderte Jurgis selbstständig die Fütterungsreihenfolge, sodass Schildkröte fortan als Letzter sein Essen bekam - dafür verweilte Jurgis aber auch am längsten bei ihm. Und erfuhr erstaunliche Dinge.
    »Ich bin ein Versuchsobjekt«, sagte das Wesen, das zwar auf zwei Beinen stehen und seine beiden anderen Extremitäten wie Hände gebrauchen konnte, aber auch so etwas Abstruses wie einen Hornpanzer besaß, in den es sich komplett zurückziehen konnte.
    »Ein Versuchsobjekt?«, fragte Jurgis. »Was heißt das?«
    »Das hier«, sagte Schildkröte und zeigte um sich zu den anderen Käfigen, »dient alles nur ihren Experimenten.«
    »Wovon redest du?«
    »Denk nach!« Schildkröte beugte sich zu ihm und dämpfte seine Stimme, als er flüsterte: »Ich kann in dich schauen. Du bist anders als die Kreaturen in den Käfigen… aber auch anders als die Marionetten, die sich hochtrabend Obere nennen. Als hätten sie auch nur die geringste Macht - oder einen freien Willen. Du bist eher so wie…«
    Jurgis sah ihn abwartend
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