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292 - Chimären

292 - Chimären

Titel: 292 - Chimären
Autoren: Christian Schwarz
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Er sah Khyentse fest in die Augen. »Du musst mir einen weiteren Gefallen tun, mein Herz. Geh in die Bibliothek der Welt und forsche nach, ob es Literatur über die Gedankensphäre gibt. Ich will mehr über sie herausfinden.«
    »Aber… aber… du willst sie doch nicht etwa benutzen?« Ihre Stimme zitterte.
    »Nein, natürlich nicht. Das verspreche ich dir bei meiner reinen Liebe zu dir. Ich will nur wissen, was sie kann . Rein theoretisch, versteht sich. Und auch du würdest damit ein Wissen erlangen, mit dem du vor den anderen Großen Räten glänzen kannst.«
    »Ja«, flüsterte Khyentse. »Du hast recht, mein Geliebter.«
    Zwei Tage später kam sie mit der Nachricht, dass die Gedankensphäre mit Code Wangchug belegt sei, dem Herrschercode, und dass deswegen ausschließlich der König darauf Zugriff habe. Chan staunte. Vom Code Wangchug hatte er bisher nichts gewusst.
    Königswissen. Geheimstes Wissen also. Nun war Chan erst recht scharf auf die Gedankensphäre .
    ***
    Die seltsame Maschine ging Chan auch in den nächsten Tagen nicht mehr aus dem Sinn. Er wurde regelrecht besessen davon. Deswegen nutzte er die nächste Gelegenheit, Khyentse erneut zu einer verbotenen Exkursion zu drängen.
    Nachdem sie die Kammer mit der Gedankensphäre betreten hatten, stellte sich Chan hinter die Große Rätin . Aus einem Hochdruckflakon versprühte er ein schnell wirkendes Gas in ihre Richtung. Khyentse bekam davon nichts mit und sank einfach zu Boden, ohne einen Laut von sich zu geben.
    Ein leises hämisches Lachen stieg aus Chans Kehle. Ohne einen weiteren Blick auf die verrenkt daliegende Bewusstlose zu werfen, widmete er sich der Gedankensphäre . Als technisch Hochbegabter erkannte er schnell, wo die Stromzufuhr unterbrochen war. Weil ein Kabelteil fehlte, musste er mit anderen Kabeln, die lose in einem Schaltschrank herumlagen, eine Überbrückung schaffen.
    Als er den leicht zu identifizierenden Hauptschalter drückte, flammten einige Kontrolllampen auf. Chans Magen zog sich schmerzhaft zusammen, als die Gedankensphäre gleichzeitig leise zu summen begann. In das runde, bisher blinde Feld im Zentrum des Strudels kam Bewegung! Es begann zu wallen, als würden darin Nebel aufziehen. Die Schlieren wurden farbiger, diffuse Linien bildeten sich heraus. Schließlich manifestierte sich ein seltsames, schwarz-violettes Rautenmuster. Chan konnte es mit seinen Augen nicht fassen; die Linien und Flächen schienen sich auf geheimnisvolle Weise wie ein starker Strom nach innen zu bewegen, obwohl sie das nicht wirklich taten.
    Gleichzeitig tauchten fremde Bilder in Chans Kopf auf! Er erschrak zu Tode, als er plötzlich ganz deutlich eine mönchsartige Gestalt wahrnahm, die vor der Gedankensphäre saß und ihm auffordernd zulächelte. Die hübsche junge Frau hatte sieben Elektroden am Kopf. Von ihnen führten Kabel zu einer bestimmten Stelle der Schaltkonsole.
    Im ersten Moment glaubte Chan, es handele sich um einen Spuk. Aber die Frau in der Kutte sah nun wirklich nicht aus wie eine Hexe - auch wenn ein seltsamer Zauber von ihr ausging.
    Dann wurde ihm klar, was wirklich geschah. Die Maschine sprach zu ihm!
    Auf mentalem Wege gab sie ihm anscheinend Hinweise, wie er sie bedienen konnte. Eine mentale Gebrauchsanweisung sozusagen. Er hatte das Gefühl, dass das Rautenmuster im Zentrum diese geistigen Impulse abstrahlte.
    Großer Buddha, das ist ja unglaublich. Bin ich geistig besonders begabt oder kann dieses Ding jeden erreichen?
    Im Moment war ihm diese Frage allerdings herzlich egal. Er beschloss, trotz Khyentses Warnungen alles zu wagen und sich an die Anweisungen der Maschine zu halten. Noch immer war das Bild in seinem Gedächtnis. Also schaute er an der bezeichneten Stelle der Schaltkonsole nach, denn dort sah er keine Kabel.
    Tatsächlich konnte er die Abdeckung öffnen. Sein Herz übersprang einen Schlag, als er die Kabel mit den Elektroden wirr durcheinander liegen sah. Es waren tatsächlich sieben! So zog er sich einen Stuhl vor die Konsole und presste sich die Elektroden genau an die bezeichneten Stellen.
    Im gleichen Moment erlosch die mentale Gebrauchsanweisung.
    Dafür fand sich Chan übergangslos in einer völlig fremden Umgebung wieder! Erschrocken sah er sich um.
    Er stand am Rande eines weitläufigen, viereckigen Platzes in der Außenwelt! Hunderte von Menschen hatten sich hier versammelt. Überall ertönten Schreie und Rufe, Kichern und Lachen. Es stank bestialisch nach Schweiß, Kot und anderem Dreck. So stark,
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